Alle Jahre wieder – und das nicht nur zur Weihnachtszeit – sondern ganz im Gegenteil, nämlich genau jetzt, blühen die Gänseblümchen. Mein Garten ist übersät von diesen kleinen Schönheiten an deren Erscheinungsbild sich wohl die wenigsten Geister scheiden werden. Ihre kleinen Köpfchen ragen auf dünnen Stängeln in unserer garteneigenen Grünfläche empor. Eigentlich besteht mein Rasen mehr oder weniger ausschließlich aus diesen robusten Pflänzchen. Dem Rasen obliegt da eine eher untergeordnete Bedeutung und so erkämpft sich nur schwer seine Daseinsberechtigung.
Der Gänseblümchenanblick entzückt mich Jahr für Jahr aufs Neue und ich zögere den Tag des ersten Grünflächenschnitts bewusst hinaus. Bevor ich damit starte (das schlechte Gewissen ist mein ständiger Begleiter bei dieser Aktion), pflücke ich mir einen Strauß. Gänseblümchen halten sich erstaunlich gut in der Vase. Für den aktuellen Cut habe ich mir überlegt, dass ich einen guten Teil der Pracht stehenlasse. Ich mähe also nur die Laufwege. Zum Holzschuppen, den Weg zum Vordereingang, den Weg zum Kabuff, zum Wasserzuber und zum Wasserschlauch. Ich schaffe es, eine einigermaßen gerade Kante zwischen Wildwuchs und gesitteter Grünfläche zu mähen, was zugegebener Maßen keine allzu große Anforderung an egal wen stellen würde.
Zufrieden mit meinem Werk, genieße ich nun die Sonne auf meinem Balkon. Jetzt kommt wieder die Zeit, in der ich draußen schreiben kann. Mit dem Kopf kurz unter dem Geäst der Marille, die mir als Blätterdach dient, sitze ich da. Umgeben von Summen, Zirpen und Piepen, Kindergeheul, Erwachsenengequatsche und all den Dingen, die eben zu hören sind, wenn man so mittendrin wohnt. Mein Laptop ist gelbstichig übersät von den Pollen, die durch die Luft fliegen. Aber das ist mir egal, Hauptsache draußen sein. Und so schaue ich wieder versonnen zu meinen Gänseblümchen und überlege mir, wie mein nächster Text aussehen könnte.