#113 Regularien

Ich bin umgeben von „Dos and Don‘ts“. Alle naselang bekomme ich gesagt, was ich darf und was nicht. Gefühlsmäßig nimmt die Verhaltensoptimierung zu. Ist es wirklich notwendig, jede Kleinigkeit bis ins Detail zu regeln? Mich verstört es, dass mein gesunder Verstand überhaupt keine Rolle mehr zu spielen scheint. Verlerne ich dadurch nicht genau das? Nachzudenken und zu überlegen, welche Konsequenzen mein Handeln haben könnte und dabei abzuwägen, mit welchem Risiko ich rechnen muss. Oder welches Risiko ich für meine Umgebung bin? Ich habe die Befürchtung meinen Kompass zu verlieren, sollte es mir zunehmend weniger gestattet sein, mich selber zu hinterfragen.

Simples Beispiel aus der Praxis: die bürointernen Sicherheitsbestimmungen regeln neuerdings, dass alle Geräte beim Verlassen der Tätigkeitsstätte auszustecken sind. Einzeln aus der Dose oder am Kippschalter einer vorhandenen oder noch zu erwerbenden Mehrfachsteckdose. Nun gut, es ist ein alter Hut, dass Wasserkocher und Trockner nicht dauerhaft am Netz sein sollten. Aber Computer und Schreibtischlampen auch? Ist das nicht ein bisschen zu weit gedacht? Irgendwie sträubt es sich in mir, dafür Ressourcen zu verschwenden. In Lebenszeit genauso wie in zusätzlichem Material (Kauf einer Mehrfachsteckdose mit Kippschalter). Ein wenig zu viel Angst und ein wenig zu viel was wäre wenn. Nervt mich diese Einschränkung, weil es ein Eingriff in meine Routine ist und ich mich routinemäßig gegen Änderungen sträube oder ist es tatsächlich mein Verstand, der mir den Vogel zeigt?

Neben dem allumfassenden Datenschutz gehören nun also der Brandschutz und die Unfallverhütungsvorschriften zu meinen täglichen Begleitern. Erschreckenderweise treffe ich neben dem beruflichen Kontext auch in meiner Freizeit immer häufiger auf Anweisungen, Paragraphen, Vorschriften. Zum Glück gibt es Instanzen, die mir sagen, wie ich meinen (Schwimmbad-)Kabinenschlüssel aufbewahren soll. Ich Depp hätte den glatt beim Plantschen einfach neben meiner Tasche liegen gelassen.

Teilen:

Weitere Beiträge

#643 aufs Maul geschaut

Cafés und andere gesellige Orte, wie Kneipen, Restaurants, öffentliche Verkehrsmittel, sind geeignet, fernab sozialer Medien, „dem Volk aufs Maul zu

Weiterlesen