#135 Tunnel

Hinter dem Tunnel regnet es. Dauerhaft und schon länger, wie es den Anschein hat. Dick fallen die Tropfen auf das Autodach und die Gischt sprüht unter den Rändern hinweg. Ich bin überrascht doch hätte es wissen können, hätte ich mich dafür gestern interessiert. Habe ich aber nicht. Schließlich versuche ich das Urlaubsfeeling bis zum letzten Augenblick auszukosten. Es ist so wie früher, wenn ich nach einem leckeren Essen bei meinen Großeltern sowohl den Teller als auch den Topf ausschlecken durfte. Da habe ich ebenfalls kein bisschen verschenkt. Es gibt Eigenschaften, die wiederholen sich scheinbar stetig facettenreich ein Leben lang.

An der Grenze winkt uns der Zollbeamte gnädig durch. Die beiden Sprinterbusse vor uns hatten da weniger Glück. In der Schweiz geht das schlechte Wetter erst einmal weiter. Die Wolken hängen so tief im Gebirge zwischen Steilhängen und Tälern, dass ich den Eindruck habe, als sollte etwas abgedichtet werden. Andere Wolken sehen wie Wattebausche aus, die am rauen Untergrund der Baumspitzen und Felsen hängen bleiben und sich faserweise aufziehen.

Zwei Podcasts machen mir die Langeweile des Herumsitzens beim Fahren erträglich. Einem Interview höre ich besonders aufmerksam zu. Es liefert mir neue Einblicke in eine Person. Von diesen bin ich positiv überrascht, wie ich nicht ohne erstaunt zu sein, feststelle. Wie lehrreich kann es sein, mich mit denjenigen Menschen auseinanderzusetzten, die nicht unbedingt meinem alltäglichen Dunstkreis entspringen. Perspektiven tun sich auf, so dass die Auseinandersetzung mit dem Unbekannten wieder einmal zu ungeahnten Erkenntnissen führt. Gedanklich weiter gesponnen bin ich in diesem Fall genauso im Urlaub, wie in den letzten Tagen in der Toskana. Erstaunlich simple Sache. So naheliegend wie es ist nehme ich mir vor, öfter auf diese Weise zu reisen. Das ist fast genauso, wie wenn nach dem nächsten Tunnel das Wetter wieder schön ist.

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