#159 an der Quelle

An der Quelle schmeckt das Wasser erstaunlicher Weise noch besser als sonst, stelle ich fest, während ich im Schatten meine Flasche erneut fülle. Ich bin, zwischen zwei Regenschauern, unterwegs. Unterwegs mit meinem Rennrad und trainiere weiterhin fleißig für meine Herausforderung, die Ende des Monats auf mich wartet. Die Topografie meiner Umgebung bietet sich, wenn ich es möchte, für ein ständiges Auf und Ab an. Sanft schwingen sich Hügel durch die Landschaft, deren Bäche derzeit viel zu tun haben. Einige Sträßchen schlängeln sich malerisch und ruhig in angenehmer Steigung am Hang entlang hinauf. Das Vogelzwitschern in Wiesen und Feldern rings um mich, lässt mich den Aufstieg sogar ein wenig genießen. Dabei schaue ich sehnsüchtig auf die reifen Kirschen, die saftig und vielleicht auch schon süß an den Zweigen der Obstbäume hängen.

Aber es gibt die andere Variante. Keine Kurven, dafür geht es ordentlich steiler bergauf. Auf diesem Abschnitt schaue ich stur nach unten. Vielleicht einen halben Meter über mein Vorderrad hinweg. Aus den Augenwinkeln nehme ich die unterbrochene Linie des Mittelstreifens wahr und fange an zu zählen.  Jeden einzelnen Pinselstrich zählend, vergesse ich das Brennen in den Beinen. Den Kopf einfach anders zu beschäftigen, als mich jämmerlich dem Anstieg preis zu geben, hilft. Gut zu wissen. Die Salamitaktik funktioniert beim nach oben kommen also genauso, wie bei allem anderen.

Weiter geht es. Nach dem Anstieg ist heute vor der Abfahrt und vor dem nächsten Anstieg. Gedankenversunken und bei einer weiteren, deutlich weniger kräftezehrenden Erhebung komme ich zum Entschluss, dass mir in meinem persönlichen Portfolio, wenn ich es so ausdrücken darf, eine Sache fehlt. Nämlich eine Fähigkeit zu erlangen, die ich so tief wie möglich durchdringe. Aus Mangel an Ehrgeiz, habe ich bisher noch keine Quelle, keinen Ursprung erreicht. Jetzt nicht mehr. Mir ist sofort klar, welche das ist.        

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