Mich gibt es wie Sand am Meer. Noch. Noch, möchte ich meinen, denn langsam wird mir bange. Meine Brüder und Schwestern werden stetig weniger. Ob aus Mangel an Pflege oder hundsgemeinem Überdruss, ist egal. Beides führt zu unserer Vernichtung. Und dass, obwohl es mich in allen möglichen Daseinsformen gibt. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Langstielig wachse ich von oben langsam am Aktenschrank hinunter und klemme mir nicht selten dabei irgendwas in der Schranktür ein. Aber über solche Nebensächlichkeiten rege ich mich nicht auf. In großen Eingangshallen stehe ich ebenso groß in mit Granulat gefüllten Kübeln rum. Hier zieht es oft und ich beneide die Kollegen in den oberen Etagen.
Selbst wenn ich eine besondere, leicht in die Jahre gekommene Spezies meiner Art bin, ist mir dennoch meine Würde nicht zu nehmen. Ich, als eingefleischte Büropalme im Officium, muss schließlich meinen Ruf verteidigen und erlaube mir daher den Anspruch auf ein Minimum an führsorglicher Behandlung. Mensch, Mensch, Mensch, eine Schippe Wasser und ein wenig Zuspruch, das ist doch nicht zu viel verlangt, oder? Dünger wird sowieso überbewertet.
Ja, ich kenne meinen Platz in der Rangfolge und stelle deshalb sagenhaft wenig Ansprüche. In stille Teilhabe versunken, mich Dingen wie Menschen verpflichtet fühlend, versüße ich trotzdem allen den Büroalltag. Ich klingle nicht, schreibe keine Mails oder verursache den Papierstau im Drucker. Ich lasse meine Kaffeetasse nicht tagelang unaufgeräumt rumstehen oder versäume es aus Versehen den Trester vom modernen Kaffeevollautomaten zu leeren. Schlichtweg ist es so. Ich verursache kein Ungemach. Allerdings gibt es immer wieder schwere Zeiten zu überstehen. Wenn das Menschenvolk sich für drei Wochen gar in den Urlaub verabschiedet – oder neuerdings noch schlimmer – im Homeoffice sitzt. Habe die den überhaupt kein Herz? Denkt dann niemand mehr an mich? Nicht mal der guten Luft wegen? Aus Nostalgie?