Die Abendsonne scheint schräg von rechts auf mich und mein Laptop, vor dem ich gerade auf dem Balkon sitze. Ich habe keine Lust am Schreibtisch zu arbeiten und kneife lieber die Augen zusammen, um was zu sehen. Die dadurch deutliche Sichtbarkeit von Staub auf Tastatur und Monitor ignoriere ich. Kann ja nachher drüber wischen, bevor ich ihn zuklappe. Es ist herrlich draußen. Was soll ich da drinnen anfangen? Von gestern ist noch ein wenig Wein übrig und so genieße ich meine Freizeit und meinen Gedankenfluss.
In den vergangenen Monaten habe ich zugeschaut, wie Neues entsteht. Auf meinen Weg vom Parkplatz ins Büro komme ich an wunderschönen Ein- bis Dreifamilienhäusern vorbei. Viele davon sind aus den fünfziger und sechziger Jahren. Alle haben große Gärten und es geht sehr gediegen und gepflegt hier zu. Ich schaue mir die Gegend mit Teich immer gerne an. Letztes Jahr im Herbst nun ist eines dieser schönen Gebäude dem Abriss anheimgefallen. Auf einem Teil seines großzügig bemessenen Grundstücks ist nun ein neues Neun-Familien-Haus entstanden. Drei Etagen mit jeweils drei Wohnungen.
Tja, was soll ich sagen? Der Bau ist modern. Die weiße Fassade ist aufgelockert durch sandfarbige Elemente. Die Fenster in einem matten Grauton, der Umgebung mit seinen schnieken Gebäuden angepasst. Der Weg zum Haus ist gepflastert und als einzige Erinnerung an den alten Garten wurde vorne links ein kleiner Walnussbaum stehen gelassen. Die Balkone und Terrassen haben das – großzügig geschätzte – Maß von zwei mal vier Metern. Also rund acht Quadratmeter Freisitz, wie es so schön heißt. Heute habe ich bemerkt, dass die Balkonbrüstung durchsichtig ist, sodass ich jedweden persönlichen Krimskrams inklusive Wäscheständer nebst Wäsche in aller Pracht sehen kann. Ob ich das auch will, frage ich mich und bin gespannt, wie schnell die Ersten einen Sichtschutz anbringen. Stylisches Ambiente hin oder her.