#19 Glühwurm

Es gibt Tage, an denen reichen mir zehn Minuten nicht und ich möchte aus dem Schreibvorgang nicht auftauchen. Denn ich bin in einer anderen Welt. Meine Gedanken zu sortieren, mich um mich zu kümmern und das einzuordnen, was mir so passiert ist, ist stets aufs Neue eine Reise zu mir, ein Zwiegespräch. Fast wie ein Abenteuer und das, obwohl ich mich doch kenne, oder etwa nicht? Die Schönheit der Worte und Sätze einer Sprache, die Formulierung dessen was ich sage als das zu sehen, was es für mich ist. Eine Kunst mich auszudrücken und etwas entstehen zu lassen. Geschichten erzählen, wahr oder erfunden, vor mich hinträumen – einfach so. Wie schwimmen nur ohne Wasser.

Ich kann nicht mehr als das, bin völlig unmusikalisch und kann noch weniger singen, kann leidlich gut Zeichnen, bin keine Bastlerin, lerne schwer Fremdsprachen und Zahlen, ja gut. Demgegenüber steht ein Spruch, der wohl Mark Twain zugeschrieben wird und der mir, einmal gelesen, nicht aus dem Kopf geht. Ich habe ihn vor vielen Jahren in einem Antiquariat in einer westfälischen Kleinstadt aufgeschnappt.

An der Kasse lagen Karten mit unterschiedlichen Sprüchen. Auf weißem, festen Karton in erhabenen Lettern gestanzt. Obenauf, zufällig, lag der Satz, der sich mir eingebrannt hat. Dort stand geschrieben: „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen, ist der wie zwischen einem Blitz und einem Glühwurm“. Ja genau, völlig richtig. Es macht Spaß darum zu ringen und so bin ich auch ‚Barista‘ (#18). Barista, die in völliger Hingabe darum ringt, den richtigen Satz, das richtige Wort, den richtigen Tonfall zu Papier zu bringen. Gleich dem Pinselstrich des Malers, der ebenfalls die Farbe an der Stelle genauso gewollt hat. Ob es anderen gefällt oder nicht ist nebensächlich. Hier ist es möglich selber das Maß aller (meiner) Dinge zu sein.

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