Gerade hebe ich die erste Marille des Jahres auf, die vom Baum runter unter meinen Bistrotisch auf dem Balkon gekullert ist. Sie ist gelb und schiefrund und weich. Allerdings bin ich überrascht, scheint es mir doch noch ein wenig früh im Jahr für die Ernte zu sein. Mein Blick wandert über das Geäst und bestätigt meinen Eindruck. Hier habe ich es mir einem frühreifen Früchtchen zu tun. Allerdings scheint ein Insekt ebenfalls gefallen am süßen Inneren zu haben. Das erkenne ich an der durchsichtigen, bernsteinartigen Flüssigkeit, die an einer Seite austritt.
Das alles beobachte ich, während ich mir ein Feierabendeis im Sonnenschein gönne und nebenbei in meiner Kladde stöbere. Handtücher und Schwimmutensilien trocknen vom Frühsport um mich herum und meine Gedanken beschäftigen sich jetzt schon mit meinem nächsten Meilenstein.
Am Freitag erreiche ich die zweihundert. Ich blättere in ihr herum, um Inspiration bemüht? Nun, so ist es eher nicht, habe ich doch gestern bereits das Foto für heute geschossen. Jedenfalls dachte ich das bis gerade eben und dann ist mir die Marille dazwischengekommen. Vielleicht passt es morgen oder ein anderes Mal. Das ist übrigens typisch. Der Schreibprozess hat sein Eigenleben und, ganz klar, seinen eigenen Kopf und Willen. Dagegen bin ich machtlos.
Abgesehen davon stelle ich immer wieder fest, dass dies mein Lieblingsplatz ist. Geschützt unter den Zweigen des Baums in den Strahlen der untergehenden Sonne. Das scheint nicht nur mir so zu ergehen. Mein Basilikum (#177 Basilikum) wächst gemütlich vor sich hin. Ich habe mich nicht getraut, es an einen anderen Platz zu verfrachten und nehme die kleine Unannehmlichkeit, es steht ein wenig im Weg, gerne in Kauf. Vielleicht kann ich in ein bis zwei Wochen tatsächlich ein paar Blättchen ernten. Das wäre ein Erfolg für mich und die Redensart: Totgesagte leben länger wäre wieder einmal bestätigt.