#242 à Auch [in Oh:sch]

Als ich am Morgen die Augen aufschlage, lächelt mir die zitronengrüne Tapete unschuldig entgegen. Sie kann nichts dafür, dass mich die Stechmücken geplagt, das Gewitter wachgemacht und das viel zu kurze Bett (selbst für meine Verhältnisse kurze Bett) nicht haben schlafen lassen. Ich liege in einem Traum aus blass violettem Blümchenmuster, das sich auf Kopfkissen, Bettdecke und dem Laken befindet. Schnell weg, denke ich, ziehe mich flugs an und gehe zum Frühstück. Das nehmen wir am Esstisch des Wohnzimmers ein. Der andere Gast ist schon fertig und wir bekommen Kaffee mit Milch, Baguette, Croissants sowie selbstgemachte Marmelade und viel „Text“ kredenzt. Derweil zieht der große Hund draußen friedlich seine Runde. Er ist nett aber für mich trotzdem furchteinflößend.

Das Zimmer samt Esstisch, Sofagarnitur, offenem Kamin, Vitrine mit den Kostbarkeiten des Hauses aus Glas sowie Häkeldeckchen überall, besticht ebenfalls durch seine unübersehbare Vielfalt an Farben, Mustern und Tinnef. Halt alles, was sich im Laufe eines langen Lebens ansammelt. Meine Oma hatte ebenfalls Häkeldeckchen auf den Armlehnen des Sofas und so fühle ich mich schlagartig in meine Kindheit zurück versetzt. Wer weiß, denke ich, welche Schrulligkeit ich an den Tag lege, wenn ich alt sein werde? Unsere Gastgeberin gibt sich Mühe und alles in allem ist sie nett, freundlich, ein wenig wunderlich, sauber und ordentlich.

Wir verlassen unsere Unterkunft und radeln gen Norden. Kleine Planänderung, weil das Wetter an der Atlantikküste sehr regnerisch prognostiziert ist. Also führt uns unser Weg heute knapp einhundert Kilometer gen Norden nach Auch. Wir nehmen nicht die direkte Route, sondern folgen dem Radweg Nr. 16, kaufen unterwegs in einer kleinen Ortschaft ein, um dann irgendwo abseits ein Picknick zu machen. Das hat einen triftigen Grund. Wir schleppen nämlich seit vier Tagen unser nasses Zelt mit uns rum (#238 Col de Port), das unbedingt für unseren nächsten Campingaufenthalt trocken sein sollte.

Wir finden ein lauschiges Plätzchen unter ein paar Bäumen in der Sonne neben einer kleinen Kirche mit Friedhof. Kaum haben wir angehalten, fährt eine Frau vor und fragt uns zunächst auf französisch und dann auf englisch, ob sie sich den Tisch mit uns teilen darf. Sie würde auch gerne Mittagspause machen. Wir stimmen zu und es entwickelt sich eine nette Unterhaltung auf franzenglisch. Wir erfahren viel über die Gegend und wie unser Zielort korrekt ausgesprochen wird. Wenn es zu heiß ist, so erzählt sie uns, geht sie immer in die Kirche zum Mittagessen. Das war interessant und hat Spaß gemacht, unser Zelt ist wieder trocken und wir kommen schließlich gut in Oh:sch an.

 

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