#265 Stadtspaziergang

Es ist mittlerweile wieder Sonntag geworden. Ich bin alleine daheim. Alle sind ausgeflogen und meine Tagesaufgabe besteht darin, endlich die Steuererklärung fertig zu stellen. Wessen Lieblingsaufgabe ist das nicht? Bereits vor einiger Zeit hatte ich damit angefangen. Dummer Weise fehlten noch Zutaten, so dass ich jetzt noch mal ranmuss.

Unerledigte Aufgaben kann ich nicht leiden. Ständig geistern sie in meinem Kopf umher und ich bekommen nicht nur ein schlechtes Gewissen, sondern werde unleidlich, wenn ich nur an sie denke. Wieder kämpfe ich mit dem System der Eingabe (#137 Asia Wok) und ärgere mich über meine gestohlene Zeit. Irgendwann bin ich fertig und beschließe, einen kleinen Stadtspaziergang zu machen.

Das Wetter ist schön und viel zu schade, um drinnen zu hocken. Ich laufe los mit einer ungefähren Ahnung, wo ich hinmöchte. Das mache ich immer, wenn ich kein konkretes Ziel habe, planlos losgehen und schauen, wohin mich meine Füße tragen.

In einer gepflegten Seitenstraße mit hübschen Vorgärten und schönen Häusern kommen mir drei Jungs entgegen. Zehn oder zwölf Jahre vielleicht. Zwei von ihnen sind offensichtlich Zwillinge, der dritte wohl ein Freund. Sie halten mich auf und verlangen Zoll. Auf ihrem handgeschriebenen Zettel steht: „Geld her, sonst dürfen Sie nicht weiter fahren“. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass ich zu Fuß unterwegs bin und sie als Wegelagerer von einer einsamen Pilgerin wie mir keine Taler verlangen können. Sie schauen sich fragend an. Einer der Jungs ist clever und sagt, ich solle das Wort „fahren“ einfach durch „gehen“ ersetzen. Wir diskutieren noch ein wenig als ein Auto die Straße rauffährt und mich erlöst.

Ich schlendere durch die Gassen der oberen Altstadt. An einem Haus sind ausrangierte Jeanshosen zu Blumentöpfen umfunktioniert. Welche Ideen es manchmal gibt. Vom Dicken Turm schließlich führt mich mein Rückweg durch die Weinberge der hiesigen Winzergenossenschaft zurück nach Hause.

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