Ich klicke auf das blaue Symbol für ein weißes Blatt Papier und beginne zu tippen. Vau, ih, tee, ah. Vita steht nun oben links in der ersten Zeile meines Blattes. Und dann?, frage ich mich. Wie geht es jetzt weiter? Mir fallen spontan nur diejenigen Dinge ein, die ich nicht rein schreiben kann. In genügsamer Mittelmäßigkeit plätschert mein Leben alles andere als am Schnürchen dahin. Ohne aufregendem Auslandsaufenthalt, besonders herausragenden Fähigkeiten, verhandlungssicheren Sprachkenntnissen, spannendem Beruf oder Arbeitgebern, ohne außergewöhnlichem Hobby. Meine Aufgabe besteht darin, mich interessant darzustellen. Als Fachfrau für irgendwas. Social Media tauglich muss es schon sein. Mir fällt nichts ein.
„Mama“, kleine, bloße Füßchen trippeln über das Laminat auf mich zu, „ich kann nicht einschlafen“. Eine andere Tür öffnet sich und ein „ich auch nicht“ stimmt mit ein. „Ich habe solchen Durst“. Ich nehme meine Kinder, trage sie zurück ins Bett, decke sie zu, streichle über die Köpfchen und erzähle das, was mir gerade in den Sinn kommt, lese noch eine Geschichte vor und versuche geduldig zu bleiben.
Einige Zeit später sitze ich wieder im zugigen Flur. Links von mir soll ein Vorhang die Kälte abhalten. Eine Heizung gibt es nicht. An der Wand hinter mir stapeln sich auf dem Fußboden Bücherberge. Vor mir liegen die Unterlagen der Uni. Ich sitze gerade an einer Hausarbeit für Literaturwissenschaft oder Geschichte, strenge mich an mich zu konzentrieren. Auf meinem Schreibtisch sieht es wüst aus. Ich bin müde, mir fallen die Augen zu doch ich zwinge mich nach einem kurzen Powernap wieder an die Arbeit. Es wird spät, bis ich ebenfalls im Bett bin. Das mache ich insgesamt sechs Jahre. Vormittags lernen zur Bibliothek fahren, dann Essen kochen, Kinderbetreuung, Hausarbeit. Abends weiter lernen, bis ich meinen Magister in der Tasche habe.