Lange bevor das Freundebuch erfunden wurde, gab es Poesiealben. Vielleicht kennt ihr das auch? Besonders beliebt waren vier Eselsohren, die nacheinander auseinander geklappt den Text ergaben: „in allen – vier Ecken – soll Liebe – drin stecken“. In der Blattmitte befand sich dann häufig eine wie auch immer geartete Zeichnung. Einige davon sehr gelungen und mit Hingabe kreiert, andere mangels Begabung eher lustig. Allesamt jedoch wertvolle Erinnerungen.
Damals konnte ich nicht mit jedem Spruch etwas anfangen. Dazu war ich zu jung. Einer lautete: „Auch wenn es dich treibt vor Wut zu kochen, sei dir geraten gut zu kochen“. Jetzt habe ich eine Idee davon, was er bedeutet und wie klug gewählt er ist. Warum fällt mir das ausgerechnet jetzt ein, fragt ihr euch vielleicht? Weil ich gerade genau in der Situation bin. Ich bin wütend und verletzt und überlege nun angestrengt, wie ich mich aus dieser Lage befreien kann.
Das sind die unschönen Erfahrungen, die das Leben unweigerlich mit sich bringt und bei denen ich eine gewisse Sprachlosigkeit an den Tag lege. Leider. Ich hätte es gerne anders. Würde gerne adäquat reagieren. Weiß nur nicht, wie. Runter schlucken und ‚Unrat vorbeischwimmen lassen‘ oder wütend herausschreien? Was passiert wenn ich das eine oder andere mache? Jetzt wäre eine Glaskugel hilfreich. Bedauerlicher Weise gibt es sie nicht und auf andere Orakel setzten, ist auch keine Lösung. Also bleibt mir nur, meine unterschiedlichen Möglichkeiten auszuloten. In mich hinein zu horchen und zu überlegen, mit welcher Reaktion und zu erwartenden Konsequenz ich selber am besten leben kann.
Das ist nicht einfach, wie ich feststellen muss. Denn es hängt viel dran. Habe ich die notwendigen Informationen? Übersehe ich einen Aspekt, der die Tatsachen in einem anderen Licht erscheinen lassen würde? Was ist mein Anteil daran? Es wartet, wie ihr seht, Arbeit auf mich.