#389 Freud und Leid

Neben dem Duo: Licht und Schatten kommt mir heute ein anderes in den Sinn. Freud und Leid liegen ebenfalls eng beieinander und sind die jeweiligen Kehrseiten einer Medaille. Warum ist das so, frage ich mich. Habt ihr darauf eine Antwort? Liegt es womöglich ganz einfach daran, dass alles, was ich bin, was ich tue oder hinterlasse, endlich ist, endlich sein wird. Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass das ein Baustein ist, warum Freud und Leid zusammen auftreten.

Alles hat einen Anfang und ein Ende. Manches vergeht schneller und andere Dinge überdauern die Zeit. Einiges davon ist uralt. Ich staune ehrfurchtsvoll. Staune, weil ich kein Gefühl dafür habe, was diese Zeitspanne für eine Dimension hat. Der Zyklus des Kreierens wächst und wächst, nimmt Gestalt und Form an. Dann ist das, was ich erschaffen habe, fertig. Vollkommen. Und genau an diesem Punkt setzt der Verfall ein. Ist es nicht mehr neu, ist es nicht mehr besonders.

Sehnsüchtig habe ich darauf gewartet, dass meine Amaryllis anfängt zu blühen. Habe sie jeden Tag gegossen. Ihre Fortschritte beim Wachstum beobachtet. War neugierig, welche Farbe ihre Blüte haben wird. Jetzt ist sie verblüht. Ihr Blütenkelch vertrocknet jeden Tag ein wenig mehr. Die Pracht verliert ihren Glanz und ich mein Interesse an ihr. Schon längst ist sie wieder aus meinem Fokus verschwunden, schaue ich nicht mehr nach, wie es ihr geht. Vielleicht ist sie mir sogar ein wenig lästig.

Meine Bewunderung ist schnell vorbei, wie es die Freude oft (gefühlt) auch ist. Das Leid, oder in diesem Fall, die Unansehnlichkeit verbunden mit der Arbeit, die ich ohne Nutzen noch mit ihr habe, dauert an. Dauert (gefühlt) bereits viel länger als die Freude. Wenn ich es schaffe, diesem Teil ihres Daseins trotzdem Schönheit abzugewinnen, habe ich dem Leid ein kleines Schnippchen geschlagen. Bestimmt.

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