Dinge und Zustände entfalten immer dann ihren wahren (persönlichen) Wert (positiv oder negativ), wenn sie vergleichbar sind. Wobei die Vergleichbarkeit stets im Auge des- oder derjenigen steht, der ihn oder sie anstellt. Wichtig ist dabei für mein Dafürhalten, dass es tatsächliche Erlebnisse sind und keine Eindrücke vom Hörensagen. Nun gut, manche Katastrophen möchte ich nicht unmittelbar erleben, darauf kann ich selbstverständlich auch verzichten. Dennoch. Dieser Aspekt ist ein wichtiger Faktor, warum ich diese Art des Unterwegsseins genieße. Es erdet mich, lehrt mich Demut und macht mich dankbar. Eine Art Detoxing in einer Welt des Überflusses, in der ich mich ansonsten bewege.
Mit diesen Gedanken lasse ich mich selig in die weichen, weißen, glatten Bettlaken und flauschigen Kissen meines Hotelbetts aus der Belle Epoque gleiten. Mir tut ziemlich viel weh und ich höre meinen Körper rufen: Ruhetag, Ruhetag, Ruhetag!
Wie die Profis der Tour legen wir heute einen Ruhetag ein, schlendern gemütlich über den Markt, der sich rund um die stationäre Markthalle firmiert. Es gibt Spezialitäten aus den Pyrenäen. Kuchen, Gebäck, Kunsthandwerk, Obst und Gemüse, Poulet roti, Ziegenkäse, Schinken, viele Erzeugnisse aus Bioproduktionen. Recht wenig Fisch für französische Verhältnisse. Töpfe und Pfannen, Haushaltswaren halt. Das übliche Gewusel umgibt die Stände. Rund um den Platz sind die Bars mit Kaffeetrinkern und Zeitungslesern besetzt.
Wir kaufen ein paar Kleinigkeiten zum Vesper ein, setzten uns im Schatten auf eine Bank und essen mit den Fingern direkt aus der Tüte. Das hat eine gewisse Tradition. Der Anblick mag archaisch sein. Egal. Auf diese Weise schmeckt es einfach immer ein klein wenig besser.
Eine vorbeiflanierdende Hundesitzerin zerrt ihren kleinen Liebling, der schwanzwedelnd auf uns zugerannt kommt, energisch mit den Worten zurück: „du bekommst gleich dein Mittagessen“. Er schaut sich noch ein paar Mal sehnsüchtig nach uns um. Eine andere Frau wiederum fährt langsam auf dem Rad an unserem kleinen Picknick vorbei, schaut mich an und wünscht mir mit flüsternder Stimme: bon appétit. Dabei versprühen ihre Augen lächelnde Funken. Ich lächle genauso zurück und summe im Stillen die Zeilen von Zaz‘ Je veux: „J‘en ai marre d’vos bonnes manières, c’est trop pour moi – Moi je mange avec les mains et je suis comme ca…Papalapapapala…“ Vielleicht war es Zaz? Wer weiß?
Kurz überlegen wir, ob wir den zwei-Stunden-Tarif der Therme buchen sollen. Ein wenig Entspannung im warmen Wasser ist sicher nicht zu verachten. Die resolute Dame an der Kasse macht uns allerdings sehr deutlich und unbeirrbar auf französisch darauf aufmerksam, dass noch keine öffentliche Badezeit ist. Also drehen wir um und ich nehme nur das Bild der Badekappen mit. Vielleicht ganz gut, dass mir das erspart bleibt.