#246 gen Süden

Die Laienschaulspieltruppe der Campingplatzbewohner hat gestern Abend eine Nachtschicht eingelegt. Kurz vor Sonnenuntergang öffnete sich der Vorhang für eine weitere Vorstellung. Und wir waren die Zuschauer im ersten Rang.

Wir sitzen an unserem geborgten Tisch, auf den geborgten Stühlen bei unserem Supermarktmenü (#245 Pilote), als ein großes Wohnmobil in unsere Gasse einbiegt. Eine aufgeregte Frau und ein lässiger Mann steigen aus und beschauen sich die Optionen von Platz dreiundsechzig und vierundsechzig.

Die Möglichkeiten des rückwärts Einparkens werden zunächst untereinander und dann mit der unmittelbar angrenzenden Nachbarschaft zur rechten diskutiert. Ob diese will oder nicht. Unser Neuankömmling gehört zur Extraklasse der Kommunikationsfreudigen. Es wird hin und her rangiert und sich zunächst für den zweiten Platz entschieden. Wir atmen durch, denn in der Außenküche des anderen Stellplatzes lädt gerade unsere Powerbank und im Kühlschrank sind die Getränke für morgen kaltgestellt. Da Variante eins offensichtlich aufgrund der Ausmaße des Wohnmobils nicht funktioniert, wird nun in „unseren“ Platz gegenüber eingeparkt. Mein Begleiter hat vorsichtshalber unsere Sachen unauffällig in Sicherheit gebracht.

Dann steht die mobile Heimstatt und drei große Hunde steigen würdevoll aus. Sie werden sodann an der Leine geführt. Allerdings nur bis zum Sitzplatz der linken Anrainer. Sofort wird das dortige Ehepaar ebenfalls angesprochen und in ein Gespräch verwickelt: HundesindsosüßundbravundKatzen habenwirauchzuhauseundichquatscheeuch jetztvollobihrwolltodernicht.

Zu uns sagt er nichts. Wir haben inzwischen unsere sprich-mich-bloß-nicht-an-Gesichter aufgesetzt. Das funktioniert so gut, dass der Mann kurze Zeit später mit Stirnlampe und dem Elektrokabel für sein Wohnmobil an unserem Tisch-Stühle-Zelt-Ensemble vorbei läuft. Völlig selbstverständlich steckt er das Kabel in unsere Buchse. Wortlos. Schweigend. Nichts. Kein simples „Pardon“. Der Scheinwerfer seiner Stirnlampe wackelt hin und her. Er drückt sich zwischen unserem Zelt und der kleinen Baumgruppe durch, entwirrt es dabei umständlich und verlegt es schließlich einmal quer über die Straße. Wir sind froh, dass wir morgen abreisen.

Heute früh geht das Gequassel weiter. Auf dem Weg zum Waschraum schaut mich die Frau von schräg gegenüber ziemlich gequält an, weil der Kommunikator ihren Mann schon wieder fest im Griff hat.
Wir haben inzwischen zusammen geräumt, das Zelt ist trocken verpackt und wir machen uns auf zum Frühstück. Im nächsten Ort steuern wir die kleine Boulagerie – Patisserie an, die wir bereits kennen. Andere kennen sie offensichtlich auch, denn die Schlange verläuft zwischenzeitlich bis zum nächsten Haus.

So gestärkt und mit Proviant versorgt geht es gen Süden kurz vor die spanische Grenze, flach immer schön am Meer entlang. Es fallen den ganzen Tag über immer mal wieder ein paar Tropfen, so dass wir den Campingplatz gegen ein Hotelzimmer tauschen. Morgen geht es weiter nach Girona und wir gehen jetzt essen.

 

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