Besser hätte ich es nicht inszenieren können! Mein Icon, der Einkaufswagen, vor der Deutschlandfahne und das am Wahlsonntag. Ehrlich, damit habe ich nichts zu tun. Ich bleibe stehen, fotografiere das Arrangement. Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als zu schreiben:
Nach dem Frühstück laufen die andere Hälfte meines Haushalts und ich in unser Wahllokal. Es ist gleich um die Ecke. Grob geschätzt sind es nicht mehr als zweihundert, dreihundert Meter zu Fuß. Was für ein Privileg, dass ich keine Mühe auf mich nehmen muss, um mein Recht und meine Pflicht auszuüben. Wenn ich zurück denke muss ich sagen, dass ich es diesbezüglich immer sehr bequem hatte.
Der Gang ins Wahllokal erinnert mich ein wenig an einen Kirchgang. Vielleicht weil meine Stimmung erwartungsvoll andächtig ist. Es wird nicht laut gesprochen oder Quatsch gemacht. Ernsthaftig, so erlebe ich auch die Menschen um mich herum. Wir wählen in der Grundschule. Genauer gesagt im Musiksaal. Vor der Bühne, auf der ein Schlagzeug, Notenständer und anderes Equipment steht, sind die Wahlkabinen aufgebaut. Oben drüber hängen in bunten Lettern die Worte „Herzlich Willkommen“ an Schnüren von der Decke.
Die Stimmabgabe funktioniert reibungslos, zwei Kreuze und die Sache ist geritzt. Ein weiteres Privileg, denke ich mir, als ich meinen Zettel in der Urne versenke. Der Wahlhelfer bedankt sich für meine Stimmabgabe und wir wünschen uns alle gegenseitig einen schönen Tag. Höflichkeit an der Wahlurne – ist das selbstverständlich? Für mich ja. Aber wie fühlen sich Menschen, die in Angst oder unter Druck oder mit Zwang oder ohne echte Auswahl an meiner Stelle in anderen Teilen der Welt leben und abstimmen (müssen)? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kann und ich will es mir nicht vorstellen in einem Land zu leben, in dem die Freiheit des Einzelnen nicht immer auch die Freiheit des Andersdenkenden ist.