#476 Osterhasi

Früher, als die Welt noch aufregend war, war Ostern ein wunderbares Fest. Schließlich ist es aufregend, Geschenke, nicht nur auszupacken, sondern sie vorher auch selber zu suchen, nicht wahr? In entzückend hergerichteten, kleinen, bunten Nestern mit Stroh aus grünen Papierstreifen (jedenfalls nehme ich es an, dass sie aus Papier sind), liegen gefärbte, hartgekochte Eier, Süßigkeiten und mit viel Glück, zusätzlich etwas zum Auspacken. Je nachdem. Grüne Papierfetzen finden sich anschließend überall verstreut, genauso wie silberbuntes Papier von den kleinen Schokoostereiern, die ich ziemlich unkontrolliert in mich hineingefuttert habe. Das ist immer noch kein Problem.

Auf hartgekochten Eier war ich irgendwann nicht mehr scharf. Bis heute habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu Eiern in jedem erdenklichen Aggregatzustand (#379 der Eierschneider). Selbst von meinen Kindern werde ich diesbezüglich aufgezogen. Vor ein paar Tagen wurde ich von meiner Tochter mit einem Lächeln auf den Lippen gefragt, ob es mir etwas ausmacht, wenn sich hier, im Auto, ein hartgekochtes Ei pellt. Als Antwort öffne ich ein Stück mein Seitenfenster.

Ostern, ihr könnt es euch denken, bildet daher seit jeher eine Herausforderung für mich. Spätestens seit meinem sechsten oder siebten Lebensjahr. Nun, das hat einen ganz einfachen Grund, an den ich mich jährlich genau zur Osterzeit wieder erinnere.

Einmal war ich im Frühling auf der Insel Norderdings im Urlaub. Die Pensionswirtin meinte es ausgesprochen gut mit mir. Vielleicht, weil ich klein und zierlich war. Jedenfalls gab es jeden Tag ein Frühstücksei für mich. Ich habe gefuttert, was das Zeug hielt, die Möglichkeit und die gesunde, frische Seeluft her gaben. Am Ende des Urlaubs hatte ich so viele Eier wie nie zuvor in meinem jungen Leben verspeist. Dann kam Ostern. Der Eieroverflow hielt an. Meine Leidenschaft für sie jedoch nicht. Allein der Geruch verursachte mir fortan Übelkeit. Ich hatte einfach zu viel auf einmal.

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