# 554 Super 8

Weil das Päckchen nicht durch den Briefschlitz passt, muss der Postbote klingeln. Es ist kleiner als ein DIN A 5 Umschlag und nur ein paar Zentimeter dick. An einem Ende wird es mit zwei Klammern zusammen gehalten. Diese Dinger werden Musterbeutelklammern genannt, das wusste ich bisher nicht – habe es extra recherchiert.

Das kleine, gelbe Tütchen mit der Aufschrift KODAKdings enthält den Super 8 Film, den meine Eltern ein paar Tage zuvor zum Entwickeln verschickt hatten. Bewegte Bilder auf schmalem Zelluloid. Vorsichtig ziehe ich an dem Ende, das aus der schwarzen Box hervor schaut, halte ein paar Zentimeter des Filmmaterials vor die Glühbirne der Küchenlampe. Im Gegenlicht erkenne ich schemenhafte Umrisse, es ist nicht viel. Ich muss mich bis heute Abend gedulden. Dann baut mein Vater den Projektor auf und wir können uns gemeinsam das Ergebnis anschauen.

Die Spannung steigt. Rollläden verdunkeln das Zimmer. Der Projektor ist auf dem Esstisch aufgebaut, auf dem wir gerade zu Abend gegessen haben. Beim Einschalten wirft eine Lichtquelle ein Rechteck an die Wand. Das Gemälde, das dort normaler Weise hängt, muss seinen Platz räumen, es steht nun auf dem Fußboden. Wir haben auch eine Leinwand, bauen sie allerdings nicht auf. Das ist viel zu umständlich. Die Tapete tut es auch. Für das Unternehmen Heimkino fallen bei der spärlichen Beleuchtung weder Farbton noch ihre Oberfläche ins Gewicht.

Mein Vater steckt die Filmspule auf die obere Haltung des Vorführgeräts, unten läuft eine durchsichtige Spule gegengleich mit. Mit leichtem Knacksen zieht das Gerät den Streifen ins Innere. Dann heißt es: Licht aus – Spot an.

Bewegte Bilder flimmern vorbei, ruckelig, unscharf. Der Projektor klackert und knackst. Der typische Super-8-Sound. Ich erkenne mich, erkenne mich und meine Verlegenheit. Streichle das Pony auf dem Reiterhof, auf dem ich meine Ferien verbracht habe. Starkse ungelenk durchs Bild. Teenager eben.

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