#58 Wimmelbild

Heute wollte ich eigentlich (eigentlich wollte ich eigentlich nie schreiben – doch Ausnahmen bestätigen gewissermaßen die Regel und ich bin gnädig mit mir) etwas über den Stein auf meinem Schreibtisch schreiben. Gedankenversunken wiege ich ihn in meiner Hand, drehe ihn hin und her und freue mich über seine Textur, seine Haptik. Das Oval seiner Oberfläche ist fast komplett glatt, nur vereinzelt gibt es winzige Unebenheiten. Eine kaum sichtbare Maserung sowie eine kleine Mulde, in die mein kleiner Finger so gerade reinpasst, lassen ihn meine Hand schmeicheln. Was er wohl alles erzählen könnte, könnte er es?

Ich bin (noch) nicht so ganz einig mit mir, welcher Gedanke und Gefühl, welches Thema heute die Oberhand gewinnt und gönne mir ein weiteres Stück Cappuccino-Schokolade im guten Gewissen, mich gleich noch fitnessmäßig zu bewegen. Mittlerweile habe ich gelernt, auf meine Intuition zu vertrauen. Gleich Saurons Auge, das als gebündelter Lichtstrahl zielstrebig zu fokussieren weiß (allerdings in freundlicher Absicht, versteht sich), ist dieser Fokus nun beim Wimmelbild hängen geblieben. Ganz anderes Thema.

Kopflos und durcheinander, scheinbar unordentlich, üben Wimmelbilder von je her eine Faszination auf mich aus. Hier geht es ums Suchen, Finden und Entdecken. Aufmerksam beobachten und dem, was ich sehe, Beachtung schenken. Detailverliebt den kleinen Jungen suchen, der neben dem Strandkorb ins Meer pinkelt. Eine Schatzsuche auf dem Trockenen, möchte ich es nennen. Ist es nicht herrlich, wenn die Betrachtung eines Bildes immer wieder neue Assoziationen auslöst, neue Zusammenhänge schafft? Ich nehme die Herausforderung an, mich bei jeder neuen Betrachtung wieder an das zu erinnern, oder zu suchen, was ich schon entdeckt habe. Dabei überprüfe ich akribisch, ob noch alles an Ort und Stelle ist. Ob ich es mir richtig gemerkt habe. Ob ich Verlorenes wiederfinden kann.

Teilen:

Weitere Beiträge

#643 aufs Maul geschaut

Cafés und andere gesellige Orte, wie Kneipen, Restaurants, öffentliche Verkehrsmittel, sind geeignet, fernab sozialer Medien, „dem Volk aufs Maul zu

Weiterlesen