Der Kapitän wirft uns mit seiner Durchsage, dass wir gleich da seien, früh aus den Federn. Früh heißt in diesem Fall: um 5:19 Uhr. Leider klappt aus irgend einem Grund das Anlegemanöver nicht, wie es soll. Wir verlassen die Fähre schließlich mit einer ordentlichen Verspätung. Doof. Denn das bedeutet, dass wir zwei mögliche Züge verpassen. Als wir uns vom Fähranleger zwischen dem Stadtverkehr bis zum Hauptbahnhof durchgekämpft haben, machen die Italiener Ernst mit ihrem Bahnstreik und es geht nichts mehr.

Also laufen die Vorkehrungen für Plan B an: zur Metro und raus aus der Stadt so weit es irgend geht, dann aufs Rad und ebenfalls so weit es geht, radeln. Das haben wir geschafft. Nach neunzig Kilometern haben wir unser heutiges Etappenziel, Formia, erreicht.

In den vergangenen zwei Tagen habe ich übrigens die Fahrradeignungsprüfung zum radeln im italienischen Großstadtverkehr mit Bravur bestanden. Zu aller erst heißt es: Nerven bewahren, Lenker festhalten, Schlaglöchern ausweichen, während die ortsansässigen Vehikel mit demselben Abstand an uns vorbei rasen, wie ich es daheim nur an parkenden Autos tue.

Palermo oder Neapel – das macht keinen Unterschied. Und was dort alles los ist. LKWs, Kleintransporter, Autos, Motorräder, Vespas, Fatboy-E-Bikes, E-Scooter, Trikes, die als Rikschas fungieren, einspännige Pferdedroschken, Fußgänger, andere Radfahrer. Mein lieber Scholli. Und jede und jeder bewegt sich in einem gut choreografierten Reigen fort. Das klappt deshalb, weil alle die Hup-Sprache verstehen.

Es gibt das Hupen für: Achtung, Vorsicht, Entschuldigung, Hallo – wenn es nett und freundlich gemeint ist. Für alles andere kommt eine Kombination aus verbaler Untermalung und unmissverständlichen Handzeichen hinzu, was nur im Zusammenhang der jeweiligen Situation einen Sinn ergibt. Hupen bedeutet in diesen Fällen: Platz da, hau ab, lass mich rein, lass mich vorbei, Idiot. Die Aufzählung ist sicher nicht ganz vollständig, trifft es jedoch im Kern.

Unerschrocken vorwärts und ein wenig Vertrauen, damit sind die andere Hälfte meines Haushalts und ich gut zurecht gekommen. Ach übrigens, er hat sich die goldene Pathfinder-Nadel erworben, denn das navigieren mit Komoot durch den Großstadtverkehr, ich sage es euch, das ist noch mal eine ganz andere Nummer.

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