Es kommt selten vor, dass ich ungeplant einen Arzt aufsuchen muss. Heute ist dies der Fall. Die Schmerzen der vergangenen Tage wollen nicht verschwinden, also möchte ich mir Rat holen.
Vor ein paar Jahren war ich bereits einmal in der Praxis. Schon damals ist mir die überschaubare Ausgestaltung der Räumlichkeiten ins Auge gesprungen. Klassischer Fall von Umgebungsblindheit. Oder, was ich allerdings nicht glaube, grandioser Geschmackslosigkeit.
Im Wartezimmer sitzen wir auf einfachen Ahornholzstühlen mit Edelstahlfüßen. Abwechselnd haben diese Armlehnen oder keine. Der Tisch in der Mitte passt zum Holz, allerdings nicht zu den Füßen der Stühle. In einer Ecke gibt es die Ikea Kindertisch-und-Stuhlkombi samt Drahtspiel und dem einzigen Buch im Raum. Sein Titel: „Alles, was ich wissen will“. Nun, in diesem Fall braucht es keine weitere Lektüre.
Ansonsten hängen Informationen zu den bekannten Notfall-Telefonnummern sowie Informationen zur Situation hinsichtlich der Medizinischen Versorgung, für die die Ärzte kämpfen, an der Tür oder liegen auf dem kleinen Tisch in der Mitte. Die liebgewonnene Angewohnheit „Frauenzeitschriften“ beim Arzt als Zeitvertreib zu lesen, gehört längst der Vergangenheit an. Diese Art der Unterhaltung ist ausgestorben, dem Handyzeitalter zum Opfer gefallen.
Die weiße Raufasertapete sieht frisch gestrichen aus. Der Fliesenboden ist hellgrau mit breiten, dunklen Fugen. Zusammen mit den Stühlen strahlt alles eher Kälte als Wärme aus. Am besten gefallen mir jedoch die Gardinen. Im wilden Farbenmix sind undefinierbare Muster eingestreut verteilt. Manchmal mehr, manchmal weniger durchscheinend. Die waren damals en vogue. Damals, Anno 1998. Ich hatte auch Gardinen in der Art. Allerdings behaupte ich, dass Muster und Farben deutlich schöner waren, was allerdings reine Geschmackssache ist.
Wäre ich bei der Sendung: „Kunst und Krempel“, würde ich das gesamte Wartezimmerensemble mühelos auf Ende der 1990er Jahre datieren. Selbstverständlich dürfte der Kommentar, dass sich alles im „gebrauchtem, aber sehr gut erhalten Originalzustand“ befindet, nicht fehlen.