#638 altbekannte Pfade

Das Kopfsteinpflaster bringt meine „Antje“ (#637 Verwandtschaft ohne Wahl) zum Hüpfen. Große Steinbrocken pflastern die Nebenstraße durchs Wohngebiet. Alles klappert und scheppert, die Klingel klingelt von selbst. Meine Einkäufe in den Satteltaschen am Gepäckträger rutschen hin und her. Ich trete kräftig in die Pedale und halte dabei den Lenker fest. Denn diese Devise gilt auch für das Geläuf, weitab von Gravelstrecken oder kaputten Straßen im Großstadtdschungel.

Ich bin in meiner zweiten Heimatstadt im Norden, vor den Toren Ostfrieslands, unterwegs. Ganz gemütlich geht es zu, denn ich habe ein Hollandrad unterm Hintern. Nichts ist vergleichbar komfortabel wie ein Hollandrad. Wehmütig habe ich mir oft eins in meiner süddeutschen Heimat herbei gewünscht. Leider ist es dort aufgrund des hügeligen Geländes unpraktisch. Deshalb genieße ich meine Fahrt umso mehr. Wunderbar. Radwege und Radler überall. Genügend Stellplätze und ein gutes Miteinander zwischen vier- und zweirädrigen Verkehrsteilnehmenden.

Ich bin auf dem Rückweg aus der Stadt. Am späten Nachmittag bot sich mir die Gelegenheit, im letzten Rest der Herbstsonne, ein paar Einkäufe zu erledigen. Geschäfte, die ich kenne. Seit Ewigkeiten. Alteingesessene, denen bisweilen ihr Alter anzusehen ist, was nichts Schlechtes heißen muss. Einerseits. Andererseits hat sich natürlich viel geändert. Mit jedem Schritt durch enge Gassen, an windschiefen Häusern und liebevoll eingerichteten Geschäften vorbei, bahnen sich Erinnerungen ihren Weg in meine Gedanken aus der Zeit, in der ich hier als Teenager lebte.

Wie ich aufgeregt, mit dem Fahrrad, zum ersten Stelldichein mit einem Jungen geradelt bin. Meine erste Jeans alleine kaufte, ohne Unterstützung (und Reinquatschen) meiner Mutter. Oder an manche Kneipenzüge, die oft mit einem Mitternachtssnack endeten. Die Frittenbude gibt es immer noch.

Entgegen des Vorurteils der anderen Hälfte meines Haushalts, war bisher an jedem Tag das Wetter altweibersonnig himmelblau. Schade, dass er das nicht mitbekommt aber dafür im süddeutschen Regentief ein Fußballspiel anschaut.

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