Bücher üben Magie auf mich aus oder langweilen mich schrecklich. Magie entsteht, wenn der Inhalt spannend, schlüssig, fantasievoll, ergreifend oder humorvoll ist – einerseits. Faszinierender noch als das ist es andererseits, wenn die Sprache ihre Schönheit entfaltet, wenn sie malt. Und nicht nur das. Wenn Singsang und Klang der Worte eine Melodie entstehen lassen und eine allumfassende Harmonie erzeugen, dann entschwinde ich unwillkürlich immer weiter, immer tiefer in eine andere Welt. Himmel und Erde zugleich. Anfang und Ende. Dann ist es episch, dann ist es Kunst und viel mehr als blanke Geschichte, Erzählung, Roman. Dann wird es fast schmerzlich ein Teil von mir.

Ich bin vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt und fahre das erste Mal mit dem Ziel in die Stadt, mir ein bestimmtes Buch in der Buchhandlung zu kaufen. Meine Freundin hat mir von diesem Buch berichtet. Ich bin neugierig. Ich möchte es unbedingt lesen. Ich fahre mit dem Fahrrad, lehne es sacht ans Schaufenster, schließe ab und betrete die Buchhandlung. Ich spüre mein Herz klopfen, denn ich möchte es unbedingt haben. Ich schaue mich um und versuche mich in dieser aufregenden Welt zurecht zu finden. Gar nicht so einfach, das erste Mal und ich finde es nicht gleich. Ich bezahle an der Kasse und flitze wie ein Wirbelwind auf meinem Rad heimwärts.

Es ist mild und meine Bäckchen glühen heiß auf. Ich kann es kaum erwarten. Zuhause lege ich mich auf mein Bett und überfliege fast ungeduldig die Seiten, sauge den Inhalt auf, kann mich immer noch daran erinnern und es steht immer noch in meinem Regal. Ich beende es am nächsten Morgen und die Traurigkeit überfällt mich gleich eines Abschiedsschmerzes brutal und mit derjenigen Endlichkeit, die den Lebensfaden durchtrennt. Ich erinnere mich an die Leere, die es hinterlässt. Ich brauche mehr davon, das verstehe ich sofort.

https://youtu.be/HKqyV6Aisk0


 

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