Er ist voll, der Zug, der uns heute aus dem wilden Süden in den rauen Norden transportiert und bereits nach der ersten halben Stunde Fahrt Verspätung hat. Als Gimmick dafür hat sich die DB seit geraumer Zeit entschieden, den Grund der Verspätung zu nennen. Das macht die Sache nicht besser, hat aber den Charme in mir eine Art Sammelleidenschaft ob der besten Ausreden auszulösen. Wir haben die reservierten Sitzplätze glücklich erreicht und im Verlauf ebenfalls glücklich verteidigt. Nach gut zwei Stunden Fahrt erliegen wir der Verlockung auf einen heißen Kaffee – Cappuccino wäre klasse. Den Durchsagen entnehme ich, dass sich das Bordbistro in Wagen 10 befindet. Wir sind in Wagen 3. Das bedeutet einen langen Marsch auf schaukelndem Grund.
Ich versuche den am Boden liegenden Taschen, den ausgestreckten Beinen und sonstigen Hindernissen elegant auszuweichen um nicht einzufädeln. Gut, dass ich schon ein wenig üben konnte, stelle ich später fest, denn es gibt keine Deckel für to go Becher. Nun gut, denke ich mir und packe beide mit spitzen Fingern am oberen Rand. Der Inhalt ist ordentlich heiß und ich versuche ebenso elegant wieder zurück zu balancieren.
Ein junger Mann mit auffällig blauen Augen schaut kurz auf. Eine zierliche, ältere Frau zerrt verbissen einen übergroßen Koffer hinter sich her und blockiert den Durchgang. Ich komme an einer stillenden Mutter und ein paar Kindern vorbei, die sich langweilen und im Gang rumtoben. Wer will es ihnen verdenken. Der kleine Verpflegungswagen, dem ich schon auf dem Hinweg begegnet bin, hat ebenfalls keine Deckel. Gegen Mittag öffnet das Bordrestaurant, wie wir dem krächzenden Lautsprecher aus dem Off entnehmen. Allerdings wird dieses Highlight sogleich eingeschränkt, denn es gibt noch was zu essen aber leider nicht mehr so viel. Ich notiere diese Information als weitere Kuriosität und beiße in meine Brezel – zum Glück werden wir nicht verhungern.