Heute ist nach den vergangenen Trübwettertagen endlich wieder Sonnenschein angesagt. Den ich allerdings für viele Stunden wieder in einem wackeligen Zug der Deutschen Bahn verbringe. Diesmal geht es rückwärts. Von Mitteldeutschland aus, reise ich quer gen Westen in den wilden Süden. Zehn Tage bin ich jetzt unterwegs, habe viel gesehen und erlebt. Unverhoffte Eindrücke haben Stereotype abgewechselt. Während ich auf meine erste Verbindung warte, rollt ein Güterzug, mit lauter roten Waggons ein. Alle sind gleich. Mindestens dreißig Stück an der Zahl. Der knallrote Lack glänzt im Sonnenschein. Ich fühle mich unlängst an den Werbespott erinnert, in dem ein Weingummi-Baum mit “nur roten“ gepflanzt werden soll. Schmunzelnd steige ich derweil in meinen Personenzug gegenüber ein.
Geschäftiges Reisen wohin ich schaue. Gepäck verstauen, Plätze einnehmen und dann: Butterbrote raus. Ein Rascheln, Knistern und Plopp einer Tupperbox umgibt mich. Eine Dosenöffnung zischt. Alles verschmilzt zunehmend mit den sich ausbreitenden Gerüchen. Orangenduft vermischt mit Käsebrezel, Salamisandwich, Kaffee und was es sonst noch so gibt. Ich bin wieder mit Cappuccino – diesmal mit Deckel – und einem Twix in XXL-Format dabei. Cremig süß und knusprig schmilzt es in meinem Mund.
Es sind viele Kinder im Zug. Die Ferien enden dieses Wochenende, was nicht zu übersehen ist. Der Schaffner verteilt eifrig Kinderfahrkarten an alle 6- bis 10-Jährigen. Wie immer ist eine Zugreise gut für Feldforschungen über die Phänotypen menschlicher Ausprägung (mich eingeschlossen). Wo ginge es auf engem Raum besser als hier? Markante Gesichtszüge sind heute ausreichend vorhanden. Tattoos haben ob des schönen Kurzärmel-Wetters wieder Saison, genauso wie der gepiercter Bauchnabel mit Glitzeranhänger, der sich unter einem bauchfreien Top keck auf Augenhöhe durch die Reihen schlängelt. Die Bahn ist (noch) pünktlich – das sollte ich unbedingt erwähnen – und das trotz Feueralarm nach knapp dreißig Minuten. Wahrscheinlich hat jemand auf dem Klo geraucht. Wer weiß?