#99 kommen und gehen

Tage kommen und gehen. Und kommen wieder und gehen wieder und es passiert nichts Nennenswertes. Oder doch? Na klar, schließlich ist das der Grund dafür, meine Gedanken aufzuschreiben. Um gesichtslosen, namenlosen, lautlos vorbeiziehenden Tagen einen Sinn zu geben. Darüber zu reflektieren, was es war, das diesen Tag besonders macht. Bisher habe ich immer eine Besonderheit gefunden und deshalb lasse ich meine Gedanken, während ich hier schreibe, parallel hin und her schweifen. Sie schwirren wirr durch meinen Kopf, bleiben kurz bei dieser oder jener kleinen Kleinigkeit hängen und es fällt mir schwer, abzuwägen und zu entscheiden, bei welchem Gedanken ich verweilen soll. Worüber ich intensiver nachdenken möchte. Denn natürlich gab es diesen Moment, an dem ich lächeln konnte oder die Begebenheit, die heute besonders für mich war.

Ich unterbreche meinen Schreibfluss, merke, wie meine Gedanken wieder und wieder hängen bleiben bei den kleinen Begebenheiten des Tages und finde schließlich, was ich suche.

Gänzlich ohne ein Wort, allein durch die Geste und durch das gute, beidseitige Kennen weiß ich, dass ich heute (wahrscheinlich) eine Freundin das letzte Mal gesehen habe. Sie verlässt meinen beruflichen Dunstkreis. Nach einer sehr intensiven Zeit hatten wir in den letzten Jahren wenig, immer weniger miteinander zu tun. Heute ergab es sich, dass wir gemeinsam einer Sitzung beiwohnten. Ohne es auszusprechen aber in dem Wissen darum, dass sich unsere Wege trennen, war die freundschaftliche Umarmung anders als sonst. Es ist merkwürdig aber dennoch klar. Das war es mir auch schon, bevor wir uns heute gesehen haben, dass es gut sein kann, dass sich heute unsere Wege letztmalig kreuzen. Ich bin mir sicher, sie hat es ebenso empfunden. Hört sich das schwülstig an? Wahrscheinlich schon. Egal. Manchmal gestatte ich mir ein wenig Schwülstigkeit. Schließlich geht es hier um einen Abschied.

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