Einhundertelf. Mit dieser Schnapszahl geht’s heut in meiner neuen Kladde weiter und mein Hirn rumort bereits eifrig auf der Suche nach dem Thema. Kein nettes heute – nix mit Blümchen, Tierchen oder Sonnenaufgängen. Heute mache ich mir darüber Gedanken, die ich wirklich jedes Mal hege, wenn es zu folgender Begebenheit kommt.
Es passiert so oder in anderen Varianten. Heute komme ich mit der Sporttasche über der Schulter und einem Hefezopf vom Bäcker (Belohnung muss sein) in der Hand, über die Straße geschlendert. Auf der anderen Seite laufe ich beinahe directamente meinem Nachbarn (er wohnt ein Haus weiter) in die Arme. Dieser Nachbar ist mir im beruflichen Kontext vor vielen, vielen Jahren – es wird mittlerweile an die zehn Jahre her sein – begegnet. Er kennt mich und ich kenne ihn. Trotzdem schafft er es bei unseren spontanen Begegnungen meist konsequent über mich hinweg zu schauen. Das ist weder schwer noch verwunderlich, misst er doch gut über zwei Meter Körperlänge während meine Maße deutlich geringer ausfallen.
Er schaut über mich hinweg, den Blick in die Ferne gerichtet. Irgendwo oberhalb von mir jedenfalls, so dass sich unsere Blicke selten treffen. Für mich hat es den Anschein, als ob er dies absichtlich macht und ich frage mich jedes Mal, warum das so ist. Oder bilde ich mir das nur ein? Nein. Ich bin mir sicher, dass er mich übersehen will. Aber um was zu tun? Nicht Hallo sagen zu müssen? Das tut doch nicht weh. Ich komme mir total bescheuert vor, seiner ausweichenden Person einen freundlichen Gruß meinerseits entgegenzuschmettern, was ich dann ehrlicherweise auch selten mache. Außer ich erhasche seinen Blick. Seltsam ist es allemal und es bleibt ein Mysterium für mich. Wahrscheinlich ist es aber normal, dass ich nicht immer alles verstehe und das auch gar nicht muss.