#130 Flamme

Schon wieder Mohn. Diese rote Blütenpracht fasziniert mich viel zu sehr, als dass ich ihre Existenz und allgegenwärtige Präsenz hier missachten könnte. Ich mache diesen Umstand dadurch wett, dass ich als Bild für heute einen Stern gewählt habe. Eine überdimensionierte Pusteblume gewissermaßen, die mir ebenfalls ins Auge sticht und als Pendant gut passt. Doch der Reihe nach. Warum schon wieder Mohn, werdet ihr vielleicht fragen. Ganz einfach, weil ich mich daran erinnere, wie ich als kleines Kind auf der Wiese hinter unserem Haus gerne die langstieligen, knallroten Blüten abgepflückt habe. Ich sehe die Wiesenblumenblüten in meiner Kinderhand, Läuse und Ameisen krabbeln mir bald über die Finger aber ich trage meine Trophäen nach Hause. In der Vase sieht mein ganzer Stolz schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr schön aus. Die Klatschmohnblüten kleben zusammen und geben ein trauriges Bild ab. Es ist erstaunlich, dass Erfahrungen wie diese die Zeit überdauern. Nie wieder bin ich in die Versuchung gekommen, diese filigranen Blumen zu pflücken.

Gestern nun hatte ich ein ganz anderes Erlebnis mit dem Gewächs, dass die Landschaft gerade fest im Griff hat. Auf unserem Rückweg von Ascidingsbums (#129 rosa) muss ich einige steile Rampen erklimmen. Ich fluche, denn es ist schon fast früher Abend und ich habe mit diesem Kraftakt, ehrlich gesagt, nicht mehr gerechnet. Auf dem Rad sitzend, schwitzend und vor mich hin zeternd, die nächste Kuppe fest im Blick, erhasche ich ein flackern, wie von einem Kerzenschein. Vor einer Steinmauer steht eine Bank, ebenfalls aus Stein und darunter flackert es. Ich bin irritiert, schaue auf, keuche, schaue wieder hin und bin mir sicher, dass dort eine rote Kerze steht. Oben angekommen entpuppt sich die Flamme als einzelne Mohnblüte, die durch das zwischen den Gebäuden schräg einfallende Sonnenlicht so in Szene gesetzt wird, als ob eine Flamme dort tanzt.   

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