Feierabend und ein langes Wochenende vor der Nase. Das sind keine schlechten Aussichten, wie ich meine. Mein erster Weg führt mich bei mäßig gutem Wetter abends noch ins Freibad. Unschlagbar ist an diesen naja-Wetter-Tagen, dass nix los ist im Becken. Schwimmen, ohne ständig aufpassen zu müssen mit einer anderen Person zu kollidieren, hat den entscheidenden Vorteil, dass ich die Gedanken fließen lassen kann. Im regelmäßigen Atemrhythmus überlege ich mir, was war. Heute ist das einfach. Die erste denkwürdige Begegnung hatte ich schon am Morgen beim Bäcker. Mal wieder beim Bäcker (#38 Gassi). Scheint ein steter Hort interessanter Begegnungen zu sein. Was ist passiert? Ganz einfach.
Ich bewege mich schnellen Schrittes. Ein alter Mann schlurft ebenfalls auf die Bäckereifiliale zu. Er hört mich näherkommen, hält an und geht sogar einen Schritt zur Seite. Herrje denke ich, so aufdringlich und forsch wollte ich gar nicht rüberkommen. Er dreht sich zu mir um, lächelt mir ein: Bitte mit einer Handbewegung entgegen. Ich nicke freundlich, denn das schlechte Gewissen kribbelt mir augenblicklich im Nacken.
Seine Augen sind auffällig rot gerändert, die Kleidung irgendwie noch nicht ganz vollständig. Graue Bartstoppeln und wirres Haar – grad so, als ob er noch bevor er mit allem anderen beginnt, sich zum Bäcker begibt. Ich betrete also vor ihm die Filiale, bestelle mein Brot und während der Bezahlerei kommt von ihm die Frage: ist sie noch nicht da? Die Verkäuferin weiß sofort, was er meint und verneint entschuldigend. Augenblicklich füllt sich der Raum mit so viel Enttäuschung, dass ich sie fast sehen kann. Er schaut betröppelt drein, läuft mit kleinen Trippelschritten suchend hin und her. Mir wird schlagartig bewusst, welchen Kummer die Tatsache, dass die Zeitung noch nicht da ist, für ihn bedeutet. Dieser Eindruck begleitet und beschäftigt mich zugegebener Maßen den ganzen Tag.