#187 der Kardiologe

Jeder Mensch lebt in seinem Habitat. In seiner natürlichen Umgebung. Das ist völlig unabhängig davon, ob er sich diese ausgesucht hat oder nicht. Viel mehr gibt es Einflussfaktoren, die innerhalb seines Veränderungsradius liegen oder eben außerhalb davon. Der Grund, warum ich heute so verkopft beginne liegt in einem Dialog, der sich vor ein paar Tagen in einem Beautysalon zugetragen hat.

Persona A gibt Person B praktische Einkaufstipps bei einem Supermarkt. Person A greift dort nie zur Eigenmarke, sondern nimmt immer das hochwertigere (in den Augen der Person A hochwertigere) Markenprodukt. Mhm, antwortet Person B und versucht dabei so unverbindlich wie möglich zu bleiben. Das Gespräch nimmt seinen Lauf und irgendwann landen beide beim Urlaub. Hier gibt es eine App, die die luxuriösen Schnäppchen anzeigt und von Person A wärmstens empfohlen wird. In einem dieser Resorts (das schnöde Wort Hotel wäre hier deplatziert) kostet die Übernachtung nicht mehr fünfhundert Euro, sondern nur noch die Hälfte. Ein echtes Schnäppchen also. Aha, antwortet Persona B wieder und versucht weiterhin so unverbindlich wie möglich zu bleiben. Ich sehe förmlich, wie bei Person B die Gedanken davon galoppieren.

Schließlich landen beide beim befreundeten Kardiologen. Dieser hat sich nach Angaben von Persona A kürzlich in eine sky-Sportsbar eingekauft. Selbstverständlich nicht, um sie selber zu betreiben. Betreiben tut er seine, mittlerweile mehrere Dependancen umfassende, Arztpraxen. Inzwischen hat Person B bei all dem Gehörten die Frage entwickelt, wie es wohl wäre, wenn jeder Mensch sein Habitat für einen einzigen Tag im Jahr verlassen müsste? Es einen Tag solidarischen Gemeinschaftsdienst für alle gäbe. Ausnahmslos. Social Media Posts dürften nicht zur Eigenwerbung verfasst werden. Irgendwie so. Person B kann sich vorstellen, dass eine solche gemeinschaftliche Erfahrung Horizonte erweitern hilft, weil Lebenswirklichkeiten außerhalb des eigenen Habitats entdeckt werden. Egal in welche Richtung. Auf Durchmischung und Perspektivwechsel kommt es dabei an.

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