#231 zwischen Baum und Borke

Seit einer ganzen Weile fühle ich mich schon, wie ein kleiner dicker Käfer, der zwischen Baum und Borke eingekeilt sein Dasein fristet. Seit einer ganzen Weile? Bezogen auf was? Darauf bezogen, dass die digitale Welt um mich herum deutlich mehr meiner alltäglichen Aufmerksamkeit verlangt und dem gegenüber noch die analoge Welt ihren Tribut fordert.

Als ich heute im Büro auf das Ensemble aus Tacker, Locher, Stempelkissen und Stempel schaue, kommt es mir fast wie ein Equipment aus einer anderen Zeit vor. Wahrscheinlich ging es den Menschen zwischen Pferdegespann und Automobil ähnlich. Das Altbekannte ist noch vorhanden, vertraut in der Handhabung und ohne Strom funktional. Nun brauche ich für viele Dinge eine Hardware, um meine Arbeit erledigen zu können. Die Abläufe, wie sie gerade funktionieren, digital funktionieren meine ich in diesem Fall, laufen noch nicht reibungslos. Habe ich mich gerade mit einem Ablauf angefreundet, ihn verinnerlicht und gedanklich einen Haken drangemacht, kommt ein Update und schon muss ich mich wieder umorientieren. Die Schnelligkeit, mit der sich die Arbeitswelt ändert, ist enorm.

Dazu passt meine Begegnung von gerade eben bei der Post. Ich habe ein Päckchen direkt in der Filiale eingepackt. Eine junge Frau tritt neben mich. Sie reißt die Verpackung ihrer frischerworbenen Briefumschläge im c4-Format auf und greift nach dem Stift auf der Ablage neben mir. Sie hantiert ein wenig mit ihnen herum, wendet sie in ihrer Hand. Schließlich dreht sie sich zu mir um fragt mich: „Wie war das nochmal – wo kommt die Adresse hin und wo muss ich meinen Absender hinschreiben?“ Wie passend sind da doch meine Überlegungen zu den Büroutensilien von heute Morgen! Besser hätte ich das Drehbuch für heute nicht schreiben können. Ich stelle fest, dass es noch mehr Käfer zwischen Baum und Borke gibt, so wie mich und beantworte ihre Frage.

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