#11 Gezwitscher

Lange Schatten fallen über den Gehweg, die Bordsteinkante und den Rinnstein auf die gepflasterte Hälfte der Straße. Ein Hauch liegt in der Luft, der sich noch nicht entschieden hat, was er sein will. Die Blätter, die der Herbststurm noch nicht von den Bäumen gerissen hat und die jetzt verschrumpelt an den dürren Zweigen hängen, wedeln im leisen Luftzug des frühen Abends.

Langsam kriecht der Schatten und schluckt mehr und mehr das letzte Licht des Tages. In unserem Garten spielen Amseln. Fast wie ein Schwarm, denn sie sind zu fünft. Fliegen hier hin und dort hin oder picken im Laub nach Essbarem. Ich bilde mir ein, dass sie ihr Winterquartier im Je-länger-je-lieber-Strauch über unserem Holzschuppen aufgeschlagen haben und ihnen unsere Unordnung draußen gefällt. Ab und zu gesellen sich Kohlmeisen und Spatzen zu ihnen und einen Gartenrotschwanz und Rotkehlchen habe ich auch schon gesehen. Vielleicht bauen sie im Frühjahr wieder ihr Nest bei uns.

Einmal hatten wir eins direkt vor unserem bodentiefen Wohnzimmerfester im Dickicht der Glyzinie. Und war es doch keine dreißig Zentimeter vor uns, konnten wir nicht hineinsehen, so gut war es versteckt. Irgendwann hatten wir dann für einige Tage gerupft aussehende, unproportionierte, stummelschwänzige, frisch flügge gewordene Küken im Garten flattern. Mal aufgeplustert, mal ängstlich umherschauend rissen sie ihre Schnäbel immer dann auf, sobald ein Elternteil mit Würmern im Schnabel in Sicht kam. Mit riesigem Gezwitscher aber dennoch in völligem Selbstverständnis und Einklang mit ihrem Dasein, ließen sie sich den mundgerechten Wurm servieren. Was für eine Aufregung.

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