Der Gestank kommt unverhofft und es dauert eine Weile, bis er in meinem Hirn das Signal: untypisch aufpoppen lässt. Meine Augen suchen und finden sogleich den Grund. Der Kadaver eines großen, braunschwarzen Schäferhundes liegt in der Böschung, die Radweg und Straße trennt. Überfahren? In der Sekunde meines Blicks mutet es fast so an, als sei er weggeworfen worden. Ein weiteres Kapitel in meiner Liste verunglückter Tiere. Warum ich mir darüber Gedanken mache, kann ich nicht sagen. Es ist vielleicht das surreale Bild zwischen Leben und Tod. Bei meinem Radfahrtempo nehme ich sie wahr und die armen Kreaturen verschwinden nicht in der Belanglosigkeit.

Doch genug der morbiden Überlegungen. Es ist bewölkt und angenehm warm, der Weg gut ausgebaut. Auf den beschilderten Radwegen lässt es sich prima fahren. Wir kommen gut voran bis zur spanischen Grenze. In den beiden Grenzdörfern – auf der französischen wie auch auf der spanischen Seite – überrascht das geschäftige Treiben. Tabakgeschäfte, Parfümerien, All-you-can-eat-Restaurants sowie sämtlicher Tinnef werden hier vertickt. Nicht gerade einladend, finde ich. Wir bahnen uns unseren Weg zwischen Autokolonnen, Parkplätzen und Fußgängern hindurch.

Auf der Landstraße angekommen, gibt es einen ziemlich breiten Seitenstreifen, der gut befahrbar ist. Wir haben noch sechzig Kilometer vor uns, als es zu regnen beginnt. Erst bekommen die Rucksäcke ihren Regenschutz, dann nimmt der Regen zu und wir biegen auf den Rastplatz bei einer Tankstelle ein. Ich bekomme Kaffee und Snickers zur Stärkung, die Regenjacken werden rausgesucht und weiter geht es. Somit habe ich wenigstens alles was ich dabei habe mindestens einmal benutzt.

Kurz vor Girona hört der Regen auf. Ich bin platt, nass und froh, endlich am Tagesziel zu sein. Wir entschließen uns trotz allem erst ein wenig die Stadt zu besichtigen und dann im Hotel einzuchecken. Es ist wirklich nett hier. Ein pulsierende Altstadt mit schönen Geschäften. Viel Flair und so viele edle Bike-Schmieden und Trikotläden, die es sonst wohl kaum mehr zu betrachten gibt.

Wir gönnen uns das obligatorische Siegerbier (in meinem Fall heute Siegercappuccino da mir ein wenig frisch ist) und schauen uns das Treiben an. Langsam kommt der Hunger, wir machen nicht lange rum, bleiben gleich sitzen und ordern zusätzlich katalanische Hausmannskost. Schließlich treten wir den Weg ins Hotel an. Ich konzentriere mich, um nicht noch auf den letzten Metern im Feierabendverkehr in eine blöde Situation zu geraten.

Jetzt sitze ich satt, sauber und mit schweren Beinchen auf meinem Hotelbett. Scheinbar sind wir nicht die einzigen Radler wie die Radschuhe auf der gegenüberliegenden Fensterbank erahnen lassen. Morgen heißt es noch mal Kräfte motivieren, denn es geht über die spanischen Pyrenäenausläufer wieder in Richtung Frankreich zurück. Etwas weniger Regen wäre gut.

 

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