#292 zu neuen Ufern

Ich bin in Münchingen. Es ist verrückt viele Jahre her, dass ich das letzte Mal hier war. Hier, richtig in der Stadt meine ich. Nicht nur zum Umsteigen im Bahnhof. Ich verlasse das Bahnhofsgelände und schaue scheu und ratlos auf meine elektronische Karte. Darin bin ich nicht gut. Ich brauche immer eine Weile, bis ich verstehe, welche Richtung ich einschlagen muss. Kennt ihr das? Wahrscheinlich nicht. Dabei bin ich schon speziell. Deshalb stehe ich zunächst ein wenig verloren da.

Es ist ein schöner, sonniger, fast warmer Herbsttag. Geschäftiges Treiben umgibt mich. Einige sind busy. Andere sitzen in Cafés draußen im Freien. Insgesamt nehme ich die Stimmung als ausgelassen wahr.

Dann habe ich endlich die Bushaltestelle mit der Nummer 68 gefunden. Der Rest ist ein Kinderspiel. Bis ich mein Ziel endgültig erreiche, führt mich mein Weg durch einen Park. Auf einer Parkbank liegt ein herrenloses Buch. Der Titel springt mir sogleich ins Auge. Seine Seiten sind ein wenig wellig vom Regen der vergangenen Nacht. Ansonsten ist es okay. Wer hat es dort liegen gelassen? War das absichtlich? Die Fragen werde ich nicht beantwortet bekommen.

Angestammte Wege verlassen, neue Bahnen ziehen, das ist es wohl, wenn ich mich zu neuen Ufern aufmache. Oder aufraffe? Freiwillig oder gezwungener Maßen. Vielleicht werde ich ein wenig geschubst? Auch das ist möglich. Orientierungslos wie ich gerade war, werde ich ebenfalls ein wenig sein. Doch wann entscheide ich mich bewusst dazu? Das ist manchmal gar nicht so einfach zu entscheiden. Und ich glaube, es ist auch manchmal gar nicht so einfach zu unterscheiden. Der Weg dorthin, egal auf welche Weise, ist mit demselben Material gepflastert. Aus Risiko. Ich kann scheitern. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die Umschreibung „neue Ufer“ für dieses Wagnis ist. Ich verlasse festen Boden. Alles ist nun möglich.

 

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