Mit der Handtasche in meiner linken Hand und dem Schlüsselbund in der rechten, laufe ich denselben Weg wie gestern vom Parkplatz zum Hallenbad. Ihr habt recht, heute ist kein Schwimmtraining. Trotzdem bin ich wieder da. Was ist los? Ich Dummdödel hab gestern mein komplettes Schwimmzeug im Schwimmbad vergessen. Weiß der Himmel warum. Das ist mir noch nie passiert.
Meine Handgriffe sind eingespielt. Schließlich gehe ich im Winterhalbjahr seit mindestens zehn Jahren regelmäßig zum Training. Stets vollführe ich dieselbe Routine mit schlafwandlerischer Sicherheit. Brille und Badekappe unter der Dusche abspülen. Badeanzug aus. Badeanzug auswaschen und dann alles in die Plastiktüte stecken, die ich genau für diesen Zweck wie meinen Augapfel hüte. Was habe ich vergessen? Ach ja, einseifen, abduschen, abtrocknen, alles in die Sporttasche packen und fertig. Gestern war ich mit meinem Kopf woanders.
Früher hat mich diese Vergesslichkeit furchtbar geärgert. Habe mit mir gehadert, mir selber Vorwürfe gemacht. Zum Glück gehört dieses Stadium der Entwicklung der Vergangenheit an. Mir scheint, als wäre ich mir gegenüber ein wenig altersmilde geworden, was ich nicht übel finde.
Vielleicht hilft mir der Umstand dabei, dass ich vor einigen Jahren an einem Ort gearbeitet habe, an dem schwerkranke, sterbende Menschen jeden Alters anwesend waren. Nicht, dass ich etwas zu deren Fürsorge oder Wohlergehen sinnvolles beigetragen habe. Ich war ausschließlich mit der Zahlenjonglage beschäftigt. Zu etwas anderem wäre ich auch nicht zu gebrauchen gewesen. Dennoch hat mich meine Tätigkeit an diesem Ort viel gelehrt. In aller erster Linie Demut. Demut und die Erkenntnis, dass ich selber überhaupt gar keine Probleme habe. Und selbst wenn es welche geben sollte, dann lohnt es sich überhaupt nicht, dass ich mich darüber aufrege.
Also nehme ich meine Tüte dankbar entgegen. Lustiger Weise befinden sich darin ein weiterer Badeanzug, Handtuch und Sprudelflasche. Bin wohl nicht die einzige Vergessliche.