#351 Fundsache

Der Nebel hat sich inzwischen gelichtet. Der Tag ist klar und grau und geht mittlerweile auf die Mittagszeit zu. Auf meinem Rückweg von einer Besprechung laufe ich durch das Treppenhaus. Mein Blick fällt auf den kahlen Baum am Straßenrand. Dort entdecke ich eine Handtasche in seinem Geäst. Sie hängt in einer Astgabel fest. Nanu, was macht die denn da?, frage ich mich und bleibe stehen. Wie kommt die Handtasche in den Baum? Wird sie vermisst? War sie überflüssig?

Es gibt eine Menge zu spekulieren. Eine dazugehörige Geschichte, ein entsprechendes Szenario ließe sich schnell erfinden. Wie es wirklich geschehen ist, wer weiß das schon? Das möchte ich im Detail gar nicht überlegen. Das könnt ihr selber entscheiden, selber Vermutungen anstellen. Möglichkeiten gibt es viele. Genauso wie es viele Möglichkeiten gibt, wie Schuhe an Oberleitungen, Zigarettenstummel auf Bordsteine, leere Flaschen auf Fensterbänke (#302 einfach abgestellt) oder Bananenschalen (#258 alles Banane) auf Spazierwege gelangen. Die Liste kann beliebig ergänzt werden. Euch fällt bestimmt etwas ein.

Mich beschäftigt das Resultat: Tasche im Baum, Flasche auf der Fensterbank. Dabei frage ich mich, ob mir das auch schon passiert ist. Habe ich mich wissentlich, aus Nachlässigkeit, Absicht oder Übermut, so verhalten, dass die Auswirkungen meiner Handlungen sichtbar wurden? Wahrscheinlich schon. Bei diesen Gedanken beschleicht mich ein schlechtes Gewissen. Wirklich komplett ausschließen kann ich es nämlich nicht.

Auf diese Weise betrachtet, gibt es vermutlich wenige Menschen, die in der Lage wären, den ersten Stein zu werfen. Das ist erschreckend. Wenn ich den Faden also weiter spinne, das große Ganze betrachte, gelange ich zur Erkenntnis, dass der Müll schließlich seinen Weg nicht von selbst ins Meer findet.

Welchen Anteil habe ich dabei? Wer räumt meine Hinterlassenschaft, welcher Art sie auch sein mag, weg? Fragen über Fragen. Meine Vermutung ist, dass die Antwort meine eigene Nase weiss.

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