Wer hat an der Uhr gedreht? Die Frage ist gleichermaßen berechtigt, wie eindeutig auch deren Antwort. Denke ich bewusst darüber nach, versetzt mich die Erkenntnis jedes Mal in Erstaunen. Als messbare Einheit ist die Zeit allgegenwärtig. Trotzdem verläuft sie alles andere als metrisch. Gefühlt, jedenfalls, ist das so. Um dieser Diskrepanz etwas entgegen zu setzen, habe ich eine kleine Statistik vorbereitet.
Dreihundertneunundneunzig Texte habe ich bereits geschrieben. Deren Anzahl an Wörtern, also dreihundert, multipliziert mit den Tagen, lande ich bei einhundertneunzehntausendsiebenhundert. Ganz schön langes Wort. Ganz schön hohe Zahl. Eine Normseite besteht aus rund zweihundertsiebenundsiebzig Wörtern. Berechne ich anhand dessen die Menge meiner geschriebenen Seiten, lande ich bei vierhundertzweiunddreißig.
Ich bin neugierig. Gehe ans Bücherregal, um heraus zu finden, welches Buch einen ähnlichen Umfang hat. Dabei gelange ich zu der Erkenntnis, dass ich mich mengenmäßig ungefähr zwischen Thomas Manns „Felix Krull“ und Irvings „Die vierte Hand“ befinde. Dann fällt mir der Band mit Tolstois „Meistererzählungen“ in der Ausgabe vom Aufbau-Verlag Berlin von 1962 in die Hand.
Das Buch hat vergilbte Seiten und verströmt diesen typischen Geruch nach verstaubtem Papier. Keine Ahnung, woher es kommt. Der grüne Schutzumschlag ist abgenutzt, an den Ecken eingerissen. „9,- DM“ ist dort zu lesen. Das eigentliche Cover besteht aus Stoff, ist aufwändig gebunden. Ich blättre ebenfalls schnell durch. Eng beschriebene, kleingedruckte Seiten sind es und viel mehr als meine. Natürlich, wäre vermessen mich zu vergleichen.
Auf einem ganz anderen Blatt steht die Dauer, die ich zur Herstellung meiner Geschichten benötigt habe. Und da ist sie wieder, die Zeit. Und da ist es wieder, das mit ihr einhergehende Phänomen. Metrisch betrachtet und wie ich sie empfunden habe, sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Das kostbarste aber ist, dass jedes einzelne Wort, jede einzelne Zeile, es mir Wert waren, sie geschrieben zu haben.