Es ist sehr lange her. Ich bin gerade in die weiterführende Schule gekommen und nehme voller Freude an der Foto-AG teil. Wir dürfen Fotopapier selbst belichten und entwickeln. Das ist wirklich spannend. Ein Klassenkamerad und ich legen nun unterschiedliche Dinge auf das Papier, belichten es und erhalten nach der Entwicklung ein Schwarz-Weiß-Foto auf dem ein Kugelschreiber, Büroklammer, Lineal oder Füller zu sehen sind. Toll. Leider haben wir einige Fehlversuche, die wir am Ende der AG eigentlich mit ein paar Pfennigen bezahlen müssten.
Aber wir sind schlau, lassen die missglückten Belichtungen in einer Schublade verschwinden und sind uns einig: das macht doch nichts, das merkt doch keiner. Also halten wir den Mund und verschweigen den zusätzlichen Verbrauch vor unserem Lehrer. Der hat leider mitgezählt und es kommt, wie es kommen muss, wir fliegen auf. Diese Peinlichkeit spüre ich noch heute und es würde mir daher nicht in den Sinn kommen, Offensichtliches zu vertuschen. Das funktioniert nicht.
Szenenwechsel: Der Fernseher läuft. Aus gegebenem Anlass schaue ich eines der Interviews zur Lage der Nation und zur Bundestagswahl im Besonderen. Ich bin erstaunt, wie viele Fachleute es zu jedem erdenklichen Thema gibt. Erhellende Neuigkeiten gibt es für mein Dafürhalten wenig. So viele Interessenvertreter, die es gibt. Aus Handel, Wirtschaft und Industrie, dem Dienstleistungssektor, den Organisationen der Wohlfahrt einschließlich der Kirchen, dem Agrarbereich, dem Umweltschutz, inländische und ausländische Fachleute, NGOs und und und. Meine Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig.
In einem Fall horche ich auf, weil ich die Frage nach dem eigenen Versäumnis spannend finde. Leider fehlt jegliche Selbstkritik. Schuld sind immer die jeweils anderen. Der politische Gegner, die Umstände, die Situation in der Welt, die Vorgänger, die Wähler. Zeugt jedoch nicht gerade diese Vorgehensweise von lähmender Ideenlosigkeit? Ich meine schon. Ein Verkennen der eigenen Versäumnisse führt nur dazu: es erhöht die Peinlichkeit.