Meine Gedankengänge führen mitunter ihr Eigenleben, stelle ich erneut fest. Auch heute. Aus irgendeinem Grund, vielleicht ist es der Wunsch nach etwas überschaubar Einfachem in unruhigen Zeiten, denke ich an Eis. An Stracciatella-Eis, um genau zu sein. Warum?, fragt ihr euch bestimmt.
Ich stehe in der Küche und bereite mir einen Jogurt mit Schokolade vor. Von meiner Vorliebe für dunkle Schokolade habe ich euch bereits erzählt (#312 Schokolade zum Frühstück). Das ist immer noch der Fall. Ich rasple Zartbitterschokolade und erinnere mich bei dem Anblick in meinem Schälchen daran, wie ich das erste Mal Stracciatella-Eis probiert habe.
Ich bin noch klein. Wahrscheinlich gerade in der Schule und liege in den Ferien zur Mandel-OP in der Kinderklinik. Wir sind zu viert im Zimmer und es geht hoch her. Wir hüpfen von einem Bett zum anderen und halten die Krankenschwestern auf Trab. Heute ist noch alles gut. Unsere Operationen sind erst morgen.
Ich erwache aus der Narkose und erinnere mich, wie mir meine Mutter ein komisch geformtes Metallschälchen unter die Nase hält, in das ich mich leicht übergebe. Puh. Das hat mir niemand gesagt, wie ätzend so eine Operation ist. Mir ist schwindelig, alles tut mir weh. Ich kann nicht sprechen, was mir schwer fällt. Die Krankenschwester lächelt milde, als sie uns vier erschlafft darnieder liegen sieht. Leicht jammernd. Wahrscheinlich denkt sie sich, dass jetzt wenigstens in diesem Zimmer Ruhe herrscht.
Aber wir sind Kinder und erholen uns schnell. Bald bekomme ich Besuch von meinen Großeltern. Die haben etwas ganz Besonderes dabei. Einen Becher aus der Eisdiele voll mit Stracciatella-Eis. Das ist neu für mich. Meine bisherige Konditionierung ging nicht über den Fürst-Pückler-Dreiklang: Schoko – Erdbeere – Vanille hinaus. Es eröffnen sich ganz neue Dimensionen. Ich tauche den kleinen, bunten Plastiklöffel ins Eis und verdrehe genießerisch die Augen. Mannomann, ist das lecker!