#447 ich hör‘ so gern die Amsel singen

Die milden Temperaturen locken mich nach draußen und ich sitze an meinem Lieblingsplatz auf dem Balkon. Die Schreibutensilien stehen vor mir auf dem kleinen Bistrotisch und ich schaue in den Garten runter. Ganz langsam regt sich frisches Grün an den Spitzen der Ästchen. Ich kann es kaum erwarten, endlich mehr davon zu sehen. Tagtäglich füllt sich unsere Gänseblümchenwiese mit weiteren Blüten. In zwei Wochen, schätze ich, ist es ein weiß-rosa Blütenmeer.

Pünktlich zum Frühlingsbeginn hat unser Amselpaar mit dem Nestbau begonnen (#440 Gruß aus der Küche). Oder genauer gesagt, sie baut und er zwitschert. Ist im Tierreich auch nicht anders als bei uns Menschen. Wer genau hinsieht, kann frappierende Ähnlichkeiten feststellen. Dieser Erkenntnis bin ich oft erlegen und habe mich jedes Mal dabei gefragt, warum mich das überhaupt verwundert. Richtig lustig wird es, wenn halbwüchsige Küken im Garten umherflattern. Das ist wirklich ein Schauspiel, das mir auch von irgendwoher bekannt vorkommt. Wenn ich nur wüsste, woher. Doch bis dahin dauert es noch eine Weile, kann noch viel passieren.

Ich bin ins Schreiben vertieft. Beobachte meine Gedanken und sehe zu, wie der Text entsteht, als ich Gesellschaft bekomme. Der zukünftige stolze Vater hat es sich in der Glyzinie über mir bequem gemacht und trällert sein Abendlied. Wir sind inzwischen aneinander gewöhnt. Er flüchtet also nicht panikartig, als ich mich zu ihm drehe. Heute hat er einige Schlachten geschlagen. Kleinere Revierraufereien sind selbst bei so netten Zeitgenossen wie Amseln an der Tagesordnung. Da wird sich belauert und hinterhergeflogen. Ja, das ist kein Spaß. Jetzt, am Abend, scheint Ruhe eingekehrt zu sein und er macht deutlich, wer hier Herr im Haus ist.

Ich halte mit dem Schreiben inne. Lausche versonnen seiner unverkennbaren Melodie. Es ist schon immer so: ich hör‘ so gern die Amsel singen.

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