#544 alles nur kalter Kaffee?

Es ist eine Weile her, dennoch erinnere ich mich gut an einen Reisebericht, den ich im Kontext meiner Magisterarbeit gelesen habe. Reginald Heber berichtet in seinem Buch von der Reise durch die oberen Provinzen von Vorderindien von Calcutta bis Bombay in den Jahren 1824 und 1825 [Wikipedia – habe ich vorsichtshalber noch mal nachgeschlagen]. Jetzt fragt ihr euch, warum ich euch diese Geschichte erzähle, richtig?

Nun, damals wie heute stehen wir Menschen auf Informationen dieser Art.

Reiseberichte erfreuten sich in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Europa einer enormen Popularität, wurden demzufolge in hoher Auflage gedruckt und in unterschiedliche Sprachen übersetzt. Das europäische Publikum saugte die Berichte förmlich auf, weshalb das verwendete Vokabular und die Intonation in den Texten mit dazu beitrugen, die Menschen in – wie in diesem Beispiel – Indien zu beurteilen, besonders wenn der Reisebericht von einem christlichen Würdenträger stammte. Reginald Heber war Theologe der Church of England.

An diesen Text, die Bewertung in selbigem, denke ich, als ich dem jungen Mann zuschaue, wir er sich vor barocker Kulisse in Szene setzt. Wahrscheinlich nimmt er eine Story für einen Social Media Kanal auf. Vielleicht, um als Influenzer davon zu erzählen. Wie die Menschen in der Stadt wohl dabei „weg kommen“? Hängt bestimmt, ebenso wie bei Reginald, davon ab, welchen Background der junge Mann hat.

Es scheint sich nicht viel geändert zu haben, in den vergangenen zweihundert Jahren. Ob etwas an der These dran ist, dass wir uns in keinerlei Hinsicht großartig weiter entwickeln? Wir beschäftigen uns mit denselben Dingen, wie alle Menschen vor uns bereits auch schon. Nur eben mit anderen Mitteln, in anderer Form. Wir wärmen kalten Kaffee auf. Sind gefangen in einer Endlosschleife, in der das Murmeltier grüßt und halten uns doch für modern. Oder nicht? Spannende Frage, finde ich.

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