„Du bist schneller als die Tour de France“ lauten die Worte, mit denen ich bei meiner Rückkehr vom Sofa aus begrüßt werde, „die haben noch siebenundzwanzig Kilometer zu fahren“. Da liegt sie, die andere Hälfte meines Haushalts, im diffusen Dämmerlicht bei halb heruntergelassenen Rollläden und schaut die 8. Etappe an. „Ja, was machst du hier?“ frage ich zurück und geselle mich zu ihm. „Ich ruhe mich aus, hab ein wenig geschlafen“, bekomme ich zur Antwort und ich frage gleich zurück, ob ich ihn geweckt habe. Er verneint dies, natürlich, und bringt mich auf den aktuellen Stand des Fahrerfeldes im Fernsehen.
Sportlich sind wir heute getrennte Wege gegangen. Er hat ein unbedeutendes, kleines mehrstündiges Training absolviert, ich war unterwegs nach Tübidings. Mädelsausfahrt mit den Rennrädern. Wie gesagt, diesmal ohne die jeweils anderen Hälften unseres Haushalts. Das geht auch und das geht richtig gut. Im besten Einvernehmen und wunderbarer Balance zwischen sportlichem Radeln und Parlieren sind wir unterwegs.
Es ist erstaunlich. Sobald zwei Frauen auf (Renn-)rädern ohne männliche Begleitung durch die Gegend fahren, gibt es Hinweise anderer männlicher Verkehrsteilnehmer. Werden wir gemaßregelt, verbessert, gibt es Kommentare. Das ist wirklich auffällig, weil wir beide uns kein bisschen anders verhalten, als wenn wir im gemischten Doppel unterwegs sind. Und das sind wir beide nun wirklich häufig genug, so dass ich mir diese Aussage empirisch durchaus zutraue. Wir überlegen, warum das so ist, finden jedoch keine passende Antwort. Ist es Wichtigtuerei? Vielleicht. Keine Ahnung. Es wird ein Rätsel bleiben.
Nun, inzwischen habe ich mich ebenfalls aufs Sofa gelegt, berichte von unserer Beobachtung, weil ich ganz genau weiß, dass meine andere Hälfte sich anders verhält und ganz viele Männer ebenfalls und das ist gut so. Ich kuschle mich an ihn und schlummere kurz weg, den Zielsprint bekomme ich nicht mehr mit.