Um das, was ich habe, gebührend schätzen zu können, ist es für mich hilfreich, ein Kontrastprogramm zu haben. Wie wäre das Leben schließlich eintönig, würde ich mich nicht zwischen den Welten hin und her bewegen können, bliebe in der ewig gleichen Bubble. Natürlich stets im Bewusstsein des Privilegs, dies zu können, denn das gehört definitiv dazu.
Ich liege in unserem kleinen (wirklich kleinen) Zelt. Ich kann aufrecht knien, mehr geht nicht. Zwei sich selbstaufblasende Luftmatratzen bilden die Unterlage auf der die andere Hälfte meines Haushalts und ich heute Nacht geschlafen haben. Und wir haben gut geschlafen. Mit dem Rauschen des Windes und des Meeres als Melodie im Hintergrund. Jetzt kitzeln uns die Sonnenstrahlen wach.
Ich schäle mich aus meinem Unterschlupf, gehe zum Waschhäuschen für die Morgenroutine. Dann wird gepackt, denn heute geht es vom Campissimo La Palma weiter gen Norden nach Marsala. Nach einem kleinen Frühstück, das an Radtagen immer aus zwei Croissants, eins mit eins ohne Schokolade und einem Cappuccino besteht, schaue ich mich um. Knipse ein paar Fotos und stelle fest, dass der Platz, so wie ich, in die Jahre gekommen ist. Ich entdecke einen Aufkleber mit: ADAC-Campingführer 1989. Damals sah ich auch noch anders aus. Nun, es funktioniert noch alles gut aber der Lack ist ab.
Unsere Strecke führt uns an der Küste entlang. Honigmelonen liegen zuckergelb auf den Feldern, Wassermelonen gibt es genauso wie Olivenbäume, Zitronenplantagen und natürlich auch viel Wein. Die Ortschaften, durch die wir radeln, sind nicht wirklich schön, jedenfalls nicht auf den Straßen, auf denen wir unterwegs sind. Das Müllproblem am Straßenrand begleitet uns um die Städte herum. Warum, das werde ich zuhause versuchen heraus zu bekommen.
Nach einer recht kurzen Etappe erreichen wir Marsala. Die Stadt des berühmten Marsalaweins. Wir machen einen kurzen Espressostopp bevor wir unsere Unterkunft erreichen. In einer wunderschönen Villa liegen im parkähnlichen Gelände kleine Bungalows, weißgetüncht wie Iglus, verteilt. Ein Pool lädt zum Verweilen ein. In der Bar läuft nun nicht mehr Gianna Nannini in Dauerschleife sondern vornehme Loungemusik. Was für ein Kontrastprogramm.
Keine Frage, hier lässt es sich ebenfalls gut aushalten, weshalb wir spontan eine Nacht dran hängen und morgen Sightseeing machen. Minimalismus und Luxus, beides steht nebeneinander. Beides hat was. Beides hat was, weil ich das jeweils andere kenne. Diese Erkenntnis stets zu wiederholen, finde ich, bewahrt mir einen Blick auf die wesentlichen Dinge im Leben.
