Die Mauer aus roten Ziegelsteinen schlängelt sich entlang der Hauptstraße und vollführt an der großen Ampelkreuzung einen kleinen Knick nach rechts. Ich überlege, ob ich direkt hier parken soll, verwerfe diesen Gedanken jedoch sofort wieder. Nein, ich nehme den Weg, den ich aus dem ff kenne, überquere die Kreuzung, biege zweimal rechts ab. Dann stehe ich auf dem kleinen Parkplatz, auf dem ich immer geparkt habe.
Es ist eine Ewigkeit her, dass ich das letzte Mal hier war. Und es wird das letzte Mal sein, dass ich hier bin. Ich bin hierher gekommen, um endgültig Abschied von meinen Großeltern zu nehmen. Der Pachtvertrag für ihr Grab läuft aus.
Ich gehe den bekannten Weg, nehme die Veränderung wahr. Flapsig ausgedrückt ist wenig „los“. Es gibt viele freie Gräber. Vor Kurzem habe ich darüber einen Artikel in der Zeitung gelesen, dass sich die Wünsche der Menschen ob ihrer letzten Ruhestätte ändert. Kann ich gut nachvollziehen, mir geht es genauso. Für mich wäre der Gedanke beruhigend, in einem Friedwald begraben oder meine Asche in alle Wind verstreut zu wissen.
Ich schreite die Reihen ab. Orientiere mich kurz und werde schnell fündig. Da ist das Grab meiner Großeltern (#386 schwarz). Mein Opa war Funker und deswegen hatte meine Oma die Idee, ihm zum Abschied in Morsezeichen die Buchstaben „s …“ und „k _._ „ auf den Stein gravieren zu lassen. Jeder Funkspruch endete mit: „Sendung beendet, keine weitere Nachricht“.
Ich halte inne, erinnere mich. Bin für einen Augenblick wieder das kleine Kind, das am Küchentisch sitzt und Grießbrei mir Schokoraspeln isst. Dann sehe ich einen Buchenschössling, der aus der Erde wächst. Ich wackle vorsichtig an seinem zarten Stamm und höre nicht eher auf, als ich ihn einigermaßen heil aus der Erde ziehe. Ihn nehme ich als Andenken mit, mit in meinen Garten.