Wir radeln durch die Straßen unseres Heimatstädtchens. Kennen jeden Winkel und jede Gasse und dennoch hat sich viel verändert, seitdem es uns in alle Winde verstreut hat. Es ist Sonntag Abend. Da sind selbst in dieser quirligen Studentenstadt die Bürgersteige hoch geklappt. Trotzdem probieren wir unser Glück in den einschlägigen Kneipenstraßen.
Der Pub hat leider geschlossen, in die Raucherkneipen wollen wir nicht, die anderen Gasthäuser sagen uns nicht zu. Also drehen wir um und radeln zum Hafen runter. Meiner Begleitung ist noch eine Idee gekommen, wo wir es probieren könnten.
Tatsächlich, das Marvins hat geöffnet. Es liegt in einer kleinen Seitenstraße, zwischen Hafen und Bahnhof und fällt fast nicht auf. Fast ist es wie verschluckt hinter seiner Efeufassade, dem großen Baum vor seinem Eingang und den Graffitis, die die restliche, unbewucherte Fläche verzieren.
Das ist eine echte Kneipe. Also eine, in der die Zeit stehen geblieben ist. Hier ist nichts clean, nichts hip. Eher abgegriffen, alt eben. Der Tisch bäbbt von den unzähligen Getränken, die hier ihre Ränder hinterlassen haben. Da hilft kein scheuern, das geht nicht weg, das ist Patina.
An den Wänden klebt das komplette Sortiment linker Statements. Faschos werde ich hier keine finden, so viel steht auf Anhieb fest. Und das ist gut, denke ich, bestelle mir das erste Glas Wein, nehme das Vier-gewinnt-Spiel vom Sideboard und während wir quatschen und spielen entsteht die Nähe, die ich gut kenne. Die wir gut kennen. Es ist lustig und ernst, angeregt, intensiv und zwischendurch ziemlich kreativ, unser Gespräch. Eine Idee jagt die nächste aber wir hetzen in unterschiedlichem Tempo den Gedanken hinterher. Ich presche voran, er überlegt ruhiger, eben wie es unser ureigenes Temperament her gibt. Wir reden viel. Er gewinnt öfter als ich. Der Wein schmeckt gut, sein Bier ebenfalls, sagt er. Es wird spät.

