Erster Mai high noon und ich stehe am Beckenrand unseres Freibads in wohliger Erwartung auf das erste Eintauchen in diesem Jahr. Das Wasser glitzert blaugrün und ich bin, wie es aussieht, nicht die einzige mit dieser Idee. Ich schaue mich um. Die großen, alten Kastanien am Eingang rechts auf der Liegewiese stehen in voller Blüte und der frisch gemähte Rasen duftet herrlich nach Gras und Erde. Alles ist vertraut. Ich atme tief durch während sich in meinem Bauch das alte Glücksgefühl regt. Denn jetzt, genau jetzt beginnt die schönste Zeit im Jahr. Die Freibadsaison. Ich bin an dem für mich zweitschönsten Ort in meinem Heimatstädtchen.
Alles ist überschaubar hier. Seitdem vor ein paar Jahren der Kabinentrackt ein Makeover erfahren hat, ist der Charme nicht mehr ganz so morbide wie zuvor. Mein Ablauf ist routiniert. Umkleidekabine, Tasche abstellen, kalt duschen und dann los. Die ersten paar Meter tauche ich bevor ich los kraule. Das gehört zu meinen Ritualen wie auch die Angewohnheit, wenn möglich, die letzte Bahn immer auf dem Rücken liegend mit lockerem Beinschlag eng an der Trennlinie zu schwimmen.
Doch bevor es soweit ist, muss ich immer wieder an den Brustgrätschern vorbei. Sie ziehen in völliger Selbstverständlichkeit gemütlich auf der Sportbahn ihre Runden. Manchmal frage ich mich, ob sie das nicht nervt, ständig überholt zu werden. Auf der anderen Seite der Leine hätten sie es leichter. Schön ist auch, wenn sie sich just bevor ich wende abstoßen, um scheinbar noch schnell vor mir auf die Bahn zu kommen, anstatt mich kurz vorbei zu lassen. Davon hätten wir beide mehr. Aber egal. All das überlege ich, wie jedes Jahr, auf meinem Handtuch liegend. Den Sonnenschein auf der Nase, genieße ich mein Leben. Dabei lasse ich meine Finger in die Portion Schwimmbadpommes neben mir greifen. Herrlich.